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- Ravensbrück und Sachsenhausen
80 Jahre nach der Befreiung mahnen Überlebende
Bei Gedenkfeiern rufen Teilnehmende zum Einsatz gegen Hass und Vergessen auf
Oranienburg/Fürstenberg/Havel. Mit emotionalen Worten haben Überlebende der ehemaligen Konzentrationslager in Sachsenhausen und Ravensbrück an die Befreiung im Jahr 1945 erinnert. »80 Jahre, das ist eine ziemlich lange Zeit und für manche ein guter Vorwand, die Ereignisse, die sich vor 80 Jahren hier abgespielt haben, endlich vergessen zu wollen«, sagte Richard Fagot in Sachsenhausen. Der Israeli ist einer der Überlebenden des KZ. Die Verbrechen dürften nicht verharmlost oder geleugnet werden, sagte Fagot.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zählte zu den vielen politischen Gästen der Gedenkveranstaltung in Sachsenhausen. »80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen wollen manche Geschichtsleugner vom Holocaust nichts mehr wissen«, sagte Woidke. »Doch weder Erinnerung noch historische Verantwortung kennen einen Schlussstrich.« Wenn man die Orte der NS-Morde besuche, wenn man sich aktiv und kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetze, dann könne man nicht gleichgültig bleiben.
Woidke richtet Appell an die Menschen
Woidke betonte auch die Bedeutung von Berichten der Überlebenden. »Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die von den grausamen Bedingungen der Inhaftierung und Tötung tausender Menschen hinter den Mauern der Lager berichten können«, mahnte Woidke. Er appellierte deshalb, die historischen Orte der NS-Verbrechen wachzuhalten. »Wir dürfen nicht weggucken bei Diskriminierung, Fremdenhass und schließlich auch nicht bei der Umdeutung des schlimmsten Kapitels deutscher Geschichte.«
Vier KZ-Überlebende aus Israel, Polen und der Ukraine sowie Angehörige von Überlebenden nahmen an dem Gedenken in Sachsenhausen teil. Es wurden Reden gehalten, Lieder gesungen, Gebete gesprochen sowie Blumen und Kränze niedergelegt. Unter den Gästen waren auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) sowie die Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Bahar Haghanipour.
Im KZ Sachsenhausen und den rund 100 Außenlagern waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200 000 Menschen inhaftiert. Mindestens 55 000 starben laut Stiftung an unmenschlichen Haftbedingungen oder wurden Mordopfer der SS.
Eindringliche Worte auch in Ravensbrück
Auch die geschäftsführende Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte im ehemaligen Frauenlager in Ravensbrück die Bedeutung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen: »Wir brauchen die Erinnerungen der Überlebenden«, sagte sie bei einer Gedenkveranstaltung in Ravensbrück. »Sie sollen aber nicht allein die Vergangenheit beschwören, sondern sie sollen unsere Augen und unsere Ohren und unsere Herzen öffnen für die Gegenwart.«
Anwesend waren auch neun Überlebende aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, Israel, Polen und der Schweiz. Die fünf Frauen und vier Männer im Alter zwischen 81 und 95 Jahren waren als Kinder und Jugendliche von den Nationalsozialisten in das KZ Ravensbrück und seine Außenlager verschleppt worden.
Zugleich mahnte Roth, sich jederzeit für Demokratie und gegen Rassismus und Hassparolen einzusetzen. »Denn auch hier, fernab der großen Städte, in der Abgeschiedenheit und Stille des ländlichen Raums, melden sich die Geschichtsvergessenen heute wieder lautstark zu Wort.« Ihnen müsse man sich friedlich, aber entschlossen entgegenstellen. Neben Roth war auch der brandenburgische Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Tobias Dünow (SPD), vor Ort.
In Ravensbrück ließ die sogenannte Schutzstaffel der Nazis 1939 das größte deutsche Frauen-Konzentrationslager errichten, in das später auch Männer kamen. Zwischen 1939 und 1945 waren laut Gedenkstätte mehr als 120 000 Frauen, 20 000 Männer und etwa 1200 weibliche Jugendliche dort inhaftiert. Zehntausende seien ermordet worden oder an Hunger, Krankheit oder durch medizinische Experimente gestorben. dpa/nd
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