Aues Stadtrat folgt den Freien Sachsen

Rechtsextreme Kleinpartei feiert Coup mit migrationsfeindlichem Antrag. Auch Linke-Politiker stimmt zu

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
In Aue-Bad Schlema konnten die Freien Sachsen einen Propagandaerfolg verbuchen
In Aue-Bad Schlema konnten die Freien Sachsen einen Propagandaerfolg verbuchen

Die Freien Sachsen spielen mit offenen Karten. Vor der Kommunalwahl 2024 sprachen Funktionäre der 2021 gegründeten rechtsextremen Kleinpartei offen vom »Sturm« auf die Rathäuser. Man wolle kommunale Entscheidungsgremien besetzen, um »dem Gegner das Leben schwerer zu machen«. Der destruktive Kurs fand bei Wählern dennoch Rückhalt. Im erzgebirgischen Aue-Bad Schlema etwa brachte es die Partei auf zwölf Prozent und stellt nun drei Stadträte.

Vergangene Woche gelang diesen ein Coup. Ohne Gegenstimmen und bei lediglich einer Enthaltung beschloss der Stadtrat einen migrationsfeindlichen Antrag der Rechten. Darin ist von einer »Notlage« die Rede, die in der Stadt aus einer »unzureichenden Bewältigung« von Migrationsbewegungen durch EU, Bund und den Freistaat Sachsen resultiert. Der Oberbürgermeister der Stadt wird aufgefordert, auf Gesetzesverschärfungen zu drängen und sich für einen Aufnahmestopp im Stadtgebiet von Aue und Bad Schlema für solche Zuwanderer einzusetzen, die Straftaten begehen. Neben Ratsmitgliedern von CDU, AfD und Freien Wählern stimmte auch der einzige Abgeordnete der Linken zu; nur eine SPD-Frau enthielt sich.

»Wir werden sehr klar mit den Abgeordneten aller Ebenen darüber reden, dass die Normalisierung extrem rechter Politik für uns inakzeptabel ist.«

Stefan Hartmann Ko-Landeschef Die Linke

Auslöser für den Vorstoß sind wiederholte Auseinandersetzungen am Postplatz von Aue, für die jugendliche Migranten verantwortlich gemacht werden. Die Polizei spricht von einem »kleinen Kreis«. Dennoch berichtete zuletzt selbst ein Boulevardmagazin des Fernsehsenders ProSieben unter dem reißerischen Titel »Aue in Sachsen: Im Kampf gegen die Angst« über die Vorfälle. Die Stadt hat bereits einen Sicherheitsausschuss gegründet, einen Sicherheitsdienst angeheuert und will die Videoüberwachung des Platzes forcieren.

Bei dem jetzt beschlossenen Papier handelt es sich rein formal nicht um einen Antrag der Freien Sachsen. Deren ursprüngliches Begehren wurde nach Angaben von CDU-Oberbürgermeister Heinrich Kohl »textlich modifiziert« und als Vorlage des Hauptamtes eingebracht. Kohl betonte in der örtlichen »Freien Presse« auch, es handle sich um Symbolpolitik. Die Freien Sachsen feierten sich dennoch für den Erfolg. In ihren Online-Kanälen, die mit zeitweise 150 000 Abonnenten ein wesentliches Instrument ihres Erfolgs sind, bejubelten sie eine »Sensation im Erzgebirge«. Ihr Auer Stadtrat Stefan Hartung sah bereits die Abgrenzung von seiner Partei beendet und sprach von einer »Implosion der Brandmauer auf kommunaler Ebene«.

Hartung hatte noch als NPD-Mitglied schon 2013 fremdenfeindliche »Lichtelläufe« in der Bergstadt Schneeberg organisiert und ist inzwischen Landesvize der Freien Sachsen. In Aue-Bad Schlema betreibt er seit Mai 2023 ein Bürgerbüro namens »Sachsentreff zum Kronprinz«. Die Popularität Hartungs, der bei der Stadtratswahl im vorigen Juni mit 2737 Stimmen das dritthöchste Einzelergebnis erzielte, zahlt sich für die Partei aus. Bei der Landtagswahl fuhr sie in Aue-Bad Schlema mit 7,2 Prozent ihr höchstes Ergebnis im Freistaat ein.

Für Die Linke ist die Kreisstadt ein deutlich schwierigeres Pflaster; sie kam bei der Landtagswahl auf ganze 2,4 Prozent der Zweitstimmen. Bei der Stadtratswahl waren es immerhin 4,5 Prozent gewesen. Die gingen allein auf das Konto von Rolf Niemann, der einziger Kandidat für die Partei in der 19 000-Einwohner-Stadt war, aber mit 1274 Stimmen das sechstbeste Ergebnis aller Bewerber erkämpfte und der Linken ein Mandat sicherte. Jetzt freilich steht der 72-jährige Maurermeister in der Kritik, weil auch er dem Antrag der Freien Sachsen zugestimmt hatte. Stefan Hartmann, Ko-Vorsitzender der Landespartei, nannte das einen »Fehler« und betonte: »Das widerspricht dem Beschluss der sächsischen Linken, unter keinen Umständen Initiativen von extrem rechten Parteien zuzustimmen.«

Hartmann kündigte Konsequenzen an, wenn auch nicht unmittelbar für Niemann. Man werde »noch mal sehr klar mit den Abgeordneten aller Ebenen darüber reden, dass die Normalisierung extrem rechter Politik für uns inakzeptabel ist«, sagte er dem »nd«. Man wolle dazu »besser kommunizieren und die Leute nicht allein lassen«, werde aber auch nicht »mit spitzen Fingern« auf die kommunale Ebene zeigen. Die Verknüpfung von inhaltlicher Arbeit und Antifaschismus sei »nicht trivial, sondern für alle eine Herausforderung, die die Demokratie erhalten wollen«.

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