Werbung

Postfaschist greift nach Präsidentenamt

Der Rechtspopulist George Simion entscheidet die erste Wahlrunde in Rumänien klar für sich

  • Edmond Jäger
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Wahl Călin Georgescus (r.) wurde im vergangenen Jahr vom Verfassungsgericht aufgehoben. Sein »Nachfolger« George Simion trotz seiner rechten Ansichten neuer Präsident Rumäniens werden.
Die Wahl Călin Georgescus (r.) wurde im vergangenen Jahr vom Verfassungsgericht aufgehoben. Sein »Nachfolger« George Simion trotz seiner rechten Ansichten neuer Präsident Rumäniens werden.

Dass der Rechtspopulist George Simion die erste Runde der rumänischen Präsidentschaftswahl gewinnen würde, war allgemein erwartet worden. Doch niemand hatte mit dieser Eindeutigkeit gerechnet. Mit seinen 41 Prozent verwies Simion seine Verfolger klar auf die Plätze. Auf dem zweiten Platz landete mit 21 Prozent überraschend der liberale Bürgermeister von Bukarest, Nicusor Dan, der als Unabhängiger angetreten war. Damit konnte er den gemeinsamen Kandidaten des Establishments, Crin Antonescu, hinter sich lassen, der von der Regierungskoalition aus konservativer Nationalliberaler Partei (PNL), Sozialdemokratischer Partei (PSD) und der Partei der ungarischen Minderheit (UDMR) unterstützt wurde und auf 20 Prozent kam.

Viele Stimmen entfielen auch auf den ehemaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Victor Ponta, der seine frühere Partei verlassen hat und nun auf 13 Prozent kam. Sang- und klanglos ging dagegen Elena Lasconi von der liberalen USR unter, die in der später für ungültig erklärten Wahl im Dezember noch den zweiten Platz hatte ergattern können und nun unter 3 Prozent landete.

Dem parteilosen Călin Georgescu wurde der erneute Wahlantritt vom rumänischen Verfassungsgericht verboten. Er hatte die erste Runde der Wahl im Dezember gewonnen, woraufhin das Verfassungsgericht eine vollständige Wiederholung der Wahl angeordnet und mit der Einmischung eines ausländischen Staates begründet hatte.

Georgescu-Wahl 2024 war kein Ausrutscher

Das Wahlergebnis muss nun alle enttäuschen, die angenommen hatten, dass Georgescus Sieg im November gewissermaßen ein Unfall war, der sich nicht noch einmal ereignen würde. George Simion hat Georgescus Ergebnis weit übertroffen und auch deutlich mehr Stimmen erhalten als alle rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien bei der Parlamentswahl im Dezember erhalten haben.

Der häufig pöbelnde, so gar nicht staatsmännisch wirkende rechte Straßenaktivist George Simion konnte auch ohne Georgescus Charisma und trotz Kritik selbst aus der Führungsriege seiner Partei, er sei ganz und gar nicht präsidentiell, ein für ihn herausragendes Ergebnis einfahren. Simion war während der Corona-Maßnahmen zu einiger Bekanntheit gelangt, weil er Proteste gegen diese organisiert hatte. Davor hatte er auf der Straße gegen die ungarische Minderheit des Landes und für eine Vereinigung Rumäniens mit der Republik Moldau agitiert.

Seine Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) wirkt in ihrem Auftreten nicht wie eine klassische Partei, sondern wie eine Verkörperung internationaler Trends der radikalen Rechten, mit Anleihen an den rumänischen Faschismus der 30er Jahre. In ihrer Anfangszeit erinnerte sie eher an eine rumänische Version der Identitären Bewegung, mittlerweile kopiert sie Mobilisierungselemente von Donald Trumps MAGA-Bewegung. Und obwohl Simion sich öffentlich von Antisemitismus distanziert, orientiert er sich in seinem Auftreten an Corneliu Zelea Codreanu, dem Anführer des rumänischen Faschismus. Andere führende Mitglieder der AUR beziehen sich im Parlament, in Büchern und Reden immer wieder positiv auf Hitlers Verbündeten Ion Antonescu und weitere Führungsfiguren des rumänischen Faschismus.

Simion Top-Favorit in der zweiten Wahlrunde

Simion geht nun als Favorit in die zweite Runde. Dafür sprechen neben seinem überraschend guten Abschneiden, die Schwäche und Spaltung seiner Konkurrenten, die sich kaum zu einer geschlossenen Front gegen ihn zusammenfinden werden, der Vertrauensverlust der etablierten Parteien, aber auch die Rolle der sozialen Medien.

Das Wahlergebnis muss alle enttäuschen, die angenommen hatten, dass Georgescus Sieg im November gewissermaßen ein Unfall war, der sich nicht noch einmal ereignen würde.

-

Dass die Front gegen Simion jedenfalls noch nicht steht, veranschaulichte der Kandidat der großen Koalition, Crin Antonescu, am Sonntagabend vor den Kameras. Er gab schon einmal keine Wahlempfehlung für die nächste Runde ab. Außer den Konservativen von der PNL wird Simions Gegner Dan nur seine eigene Partei und die Partei der ungarischen Minderheit als sichere Unterstützer verbuchen können. Doch das reicht bei Weitem nicht für einen Sieg in der Stichwahl.

Wahlkampf wird auf Social Media gemacht

Sollte Victor Ponta beispielsweise mit Simion ein Bündnis eingehen und seine bisherigen Anhänger dafür gewinnen, würde das Simion für eine Mehrheit schon reichen. Doch auch bei der traditionell stärksten Partei, den Sozialdemokraten, sind die Würfel noch längst nicht gefallen. Sie haben sich zwar im Laufe der Jahre immer mehr eine Pro-EU-Politik zu eigen gemacht, doch in ihrer Anfangszeit hatten sie unter dem ersten Präsidenten Ion Iliescu durchaus noch nationalistische Töne angeschlagen und eine Neutralität gegenüber Russland und dem Westen angestrebt.

Dieses Erbe könnten sie für eine Querfront erneuern, um unter einem Präsidenten Simion als stärkste Partei im Parlament den Ministerpräsidenten stellen zu können. Doch am Ende spielt das Verhalten der etablierten Parteien vielleicht gar nicht die entscheidende Rolle.

Kaum ein Land ist so viel auf Tiktok und in den anderen sozialen Medien wie Rumänien. Und das gilt für alle Generationen. In einer Reportage in der »Neuen Zürcher Zeitung« erklärte jüngst ein Schäfer, neben seinen Tieren auf der Wiese stehend, er informiere sich nur in den sozialen Medien.

Simions Vorbild sind Trumps USA

Das schwächt die Personalnetzwerke der alten Parteien, vor allem der PSD mit ihren vielen Mitgliedern und lokalen Mandatsträgern, immer mehr. Dieser klassische Klientelismus weicht nun dem internationalen Kulturkampf zwischen Nationalisten und Globalisten, der in den sozialen Netzwerken tobt. Simion ist jetzt nach Georgescu der neue Anführer der Nationalisten, während Dan zum Hoffnungsträger der liberalen Kosmopoliten wird.

Für das Ausland wird die Außenpolitik der beiden Kandidaten von besonderem Interesse sein. Die Außenpolitik ist in Rumäniens semipräsidentieller Verfassung, ähnlich wie in Frankreich, die Domäne des Präsidenten. Nicusor Dans Union für die Rettung Rumäniens (USR) sitzt in der Fraktion der Liberalen im Europaparlament. Dan würde sich als Präsident am Mainstream der EU orientieren und auch dessen Unterstützung der Ukraine fortsetzen. Simion dagegen lehnt dies ab und orientiert sich eher an Trumps USA. Ihm wird auch immer wieder eine Russland-Nähe vorgeworfen, allerdings wird die Kernforderung seiner Partei, die Republik Moldau an Rumänien anzuschließen, in Moskau kaum auf Sympathie stoßen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.