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Auflösung der PKK: Eine historische Entscheidung

Kurdische Politiker in der Türkei fordern die Änderung repressiver Gesetze und der Verfassung

  • Jakob Helfrich
  • Lesedauer: 4 Min.
Der amtierende PKK-Vorsitzende, Murat Karayılan, verkündet die Auflösung der Partei.
Der amtierende PKK-Vorsitzende, Murat Karayılan, verkündet die Auflösung der Partei.

Es ist eine historische Entscheidung: Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) werde den bewaffneten Kampf beenden und alle Aktivitäten unter dem Namen PKK einstellen. Dies gab sie am Montagmorgen in einem Statement nun auch offiziell bekannt. Ein solches Ergebnis des Kongresses der Partei war schon seit Freitag erwartet worden, nachdem sie erklärt hatte, der Kongress habe erfolgreich stattgefunden und auf Grundlage der Vorschläge von PKK-Gründer Abdullah Öcalan »historische Entscheidungen« getroffen. Dieser hatte Ende Februar in einem Aufruf seine Partei dazu aufgefordert, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen.

Mit den Beschlüssen trete die »Freiheitsbewegung in eine neue Phase ein«. Man sei davon überzeugt, dass die kurdische Frage an einem Punkt sei, an dem sie auf demokratischem Wege gelöst werden könne, womit die PKK als Organisation ihre »historische Mission« erfüllt habe. In dieser neuen Phase werde künftig die Gesellschaft selbst den Kampf um Demokratisierung führen.

Positive Reaktionen seitens der türkischen Regierung

Von der Regierungspartei AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wurde die Mitteilung am Morgen überwiegend positiv aufgenommen. Schon seit einiger Zeit werben die AKP, aber auch ihr kleinerer Koalitionspartner MHP unter dem Slogan »Terrorfreie Türkei« für den neuerlichen Dialogprozess mit der prokurdischen DEM-Partei, aber auch mit der PKK und ihrem Gründer Öcalan.

Der Sprecher der AKP-Parlamentsfraktion Ömer Çelik sprach auf der Plattform X kurz nach der Bekanntmachung von einem »wichtigen Schritt im Hinblick auf das Ziel einer ›terrorfreien Türkei‹«. Damit öffne sich die Tür zu einer neuen Ära. Die Umsetzung der angekündigten Entwaffnung und Auflösung der PKK werde der Türkei ermöglichen, »alle politischen Kanäle effektiver zu nutzen und unsere Demokratie, unser politisches Leben und unsere nationale Einheit [...] weiter zu stärken«. Die AKP-Abgeordnete Suna Ataman hat sogar in Aussicht gestellt, dass auch die Verfassung, die noch aus Zeiten des Militärputsches von 1980 stammt, geändert werden könne und auch eine explizite Erwähnung der Kurden möglich sei.

Schon seit einiger Zeit werben die AKP, aber auch ihr kleinerer Koalitionspartner MHP unter dem Slogan »Terrorfreie Türkei« für den neuerlichen Dialogprozess.

Auch die prokurdische DEM-Partei begrüßte die Entscheidung. Eine Delegation der Partei war zuvor der zentrale Spieler in den Gesprächen zwischen türkischer Regierung und Öcalan gewesen und hatte sich mehrfach auf der Gefängnisinsel İmralı mit dem PKK-Gründer, aber auch mit Erdoğan, dem Justizminister und Vertretern der Opposition getroffen. Die DEM-Politikerin Pervin Buldan, die an den Gesprächen beteiligt war, sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamia Agency von »historischen Entwicklungen«.

In dieser neuen Phase müsse die Demokratisierung der Türkei oberste Priorität haben. Um dies zu erreichen, müsse auch das Parlament seine Rolle spielen. Für die Demokratisierung brauche es neue gesetzliche Regelungen, während andere Gesetze geändert werden müssten. Nur so könnten die Gesetzlosigkeit und die Ungerechtigkeit in der Türkei, die verschiedene Gruppen treffe, beseitigt werden.

Nutzen für die kurdische Autonomieregion im Irak

Konkret waren in den letzten Wochen das sogenannte Recht auf Hoffnung, das zu lebenslanger Haft Verurteilten Hafterleichterungen garantieren soll, das Terrorgesetz, das immer wieder zur Repression gegen die demokratische Opposition eingesetzt wurde, und eine neue Verfassung diskutiert worden. Buldan erklärte zudem, noch am Montag den seit acht Jahren inhaftierten HDP-Politiker Selahattin Demirtaş besuchen zu wollen.

Auch aus dem Nachbarland Irak kamen nach Bekanntgabe der PKK-Auflösung optimistische Töne. Der Präsident der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, Netschirwan Barzani, erklärte, man werde »alle Bemühungen, Probleme auf friedlichem Wege zu lösen, unterstützen«. Die PKK hat bis heute ihr Hauptquartier in den Bergregionen der Autonomieregion und war dabei auch immer wieder in Konflikt mit den Regierungsparteien geraten.

Für die Autonomieregion könnte eine dauerhafte Befriedung tatsächlich direkt von Nutzen sein: Die Türkei hatte in den vergangenen Jahren wiederholt militärische Operationen gegen PKK-Einheiten auch auf dem Boden der Autonomieregion geführt und weite Teile des bergigen Grenzgebietes völkerrechtswidrig besetzt. Regelmäßig sind auch Zivilisten bei türkischen Angriffen ums Leben gekommen.

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