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  • Charité Facility Management (CFM)

Berlin: Streik an der Charité ist bereit für die Verlängerung

An der Charité streiken die Beschäftigten der Servicegesellschaft CFM bereits seit 18 Tagen

Streikende Menge vor der Senatsverwaltung für Finanzen
Streikende Menge vor der Senatsverwaltung für Finanzen

Dienstagmorgen. Ein Tross aus Gelbwesten schiebt sich über die Mühlendammbrücke in Berlin-Mitte. »TVöD für alle an der Spree«, rufen sie. Mal wieder. Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten der Charité Facility Management GmbH (CFM) zu einer Demonstration aufgerufen. Es ist bereits der 18. Streiktag.

Für 3200 Beschäftigte der Charité-Tochter CFM fordert Verdi einen neuen Haustarifvertrag, der deren Arbeitsbedingungen an die der Stammbeschäftigten der Charité angleicht. Für sie gilt der weitaus bessere Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD).

»Ich bin nicht gut im Schätzen«, sagt Maik Sosnowsky und blickt auf die Mühlendammbrücke, »es werden aber schon 400 bis 500 Kolleg*innen sein.« Sosnowsky ist Mitglied der Tarifkommission. Eigentlich hätten sich noch mehr Mitarbeiter*innen an der Demonstration beteiligen wollen, aber aufgrund der Notdienstvereinbarungen hätten etwa 150 von ihnen in den Häusern bleiben müssen.

Kein Geld in der Finanzverwaltung

Die Demonstrant*innen zieht es vor das Gebäude der Senatsverwaltung für Finanzen. »Sein Chef hat wiederholt versprochen, dass wir den TVöD bekommen«, ruft ein Mann vom Lautsprecherwagen, »jetzt liegt es an Evers.« Der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegner (CDU) hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, die Löhne der CFM-Beschäftigten stufenweise an das Niveau des TVöD anzugleichen. Wegner hatte zudem angekündigt, finanzielle Spielräume im Senat prüfen zu lassen – eine Aufgabe für den Finanzsenator Stefan Evers (CDU).

Die Tarifverhandlungen fänden ohne Beteiligung des Senats statt, teilt die Finanzverwaltung auf Nachfrage mit. Finanzielle Spielräume seien angesichts bestehender Defizite der Charité begrenzt, man arbeite daher an einer wirtschaftlichen Konsolidierung. Weiter erklärt ein Sprecher: »Etwaige zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten liegen im dezentral ressortbezogen verwalteten Budget der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege.« Also kein weiteres Geld aus dem Finanzressort.

»Wir stehen hier, um uns die Arbeit in der Zukunft noch leisten zu können.«

CFM-Mitarbeiterin aus der Zentralküche

»Herr Evers und Herr Wegner, dieser Streik ist auch in drei Monaten noch stabil. Wir erwarten, dass sie die Demokratie nicht weiter beschädigen«, sagt Maik Sosnowsky zu der vor dem Senatsgebäude versammelten Menge. Sosnowsky ist auch Betriebsratsvorsitzender der CFM. Er verweist auf die »leeren Versprechungen« der Politik. Schwarz-Rot ist nicht die erste Koalition, die eine Wiedereingliederung der CFM in die Charité versprochen hat. Eine Arbeitsgruppe im Senat kam jedoch zuletzt zu dem Schluss: Das Vorhaben ist zu teuer. Mit dem Streik nimmt Verdi die Sache nun selbst in die Hand. Wenigstens eine klare Vereinbarung, zu welchem Zeitpunkt eine stufenweise Angleichung an den TVöD abgeschlossen sein wird, soll für Verdi herausspringen. Die Gewerkschaft hat hierfür einen Dreistufenplan zur vollständigen Angleichung bis 2028 vorgelegt. Die CFM bot Verdi zuletzt 18 Prozent mehr Lohn über drei Jahre an.

Wirkungstreffer

Eine unverzügliche Angleichung halte er nicht für realistisch, erklärt ein Mitarbeiter der Reinigung. »Wenn es 2028 klappt, wäre ich auch zufrieden.« Seit neun Jahren arbeitet er für die CFM. Dass sich der Senat bewegen wird, steht für ihn fest. »Der Streik entfaltet langsam seine durchdringende Wirkung. Mülleimer werden nicht mehr geleert, Flure nicht mehr gesäubert.« In der Verantwortung sieht der als Springer eingesetzte Reinigungsmitarbeiter ebenfalls den Senat. Die von Sosnowksy bediente Metapher der CFM als Ping-Pong-Ball, den sich die jeweiligen Regierungs- und Oppositionsparteien zuspielen würden, empfindet er als treffend.

Eine weitere Mitarbeiterin berichtet vom »Knochenjob« in der Zentralküche und davon, dass ihre Rente nicht für die Miete reichen dürfte. »Wir werden auf den Staat angewiesen sein, davor graut es uns jetzt schon«, sagt sie. Seit 2017 arbeite sie für die CFM. »Wir machen Charité möglich, aber heute stehen wir hier, um uns die Arbeit in der Zukunft noch leisten zu können.« Die Beschäftigten der CFM verdienen etwa 20 Prozent weniger als ihre Kolleg*innen an der Charité. Die monatliche Differenz beträgt teilweise bis zu 800 Euro.

Spiel auf Zeit

Für den Fortgang des Streiks dürfte die geringe Bezahlung kaum noch eine Rolle spielen. Am Ende der Demo können sich die Kolleg*innen in die Streiklisten eintragen. Ein Mann mit Verdi-Weste und Klemmbrett erklärt, dass die Gewerkschaft ab dem elften Streiktag den vollen Lohn ausgleicht. Bis dahin läge das Streikgeld bei etwa 75 Prozent des Lohns plus täglich zehn Euro »Soli-Geld«, das aus einem Spendentopf gezahlt werde. Über eine Online-Kampagne sind bisher fast 50 000 Euro Spenden zusammengekommen.

Am Donnerstag treffen sich Verdi und die CFM zu einem weiteren Verhandlungsgespräch. Ob der Vollstreik dann weitergehe, hänge vom Ausgang dieses Treffens ab, sagt Sosnowsky. Man werde den Arbeitskampf an die Dynamik des Geschehens anpassen. Denkbar wären Sosnowksy zufolge auch Wellenstreiks. Dabei wird versucht, den Betrieb mit kurzfristigen, aber unangekündigten Streiks lahmzulegen. Damit diese Taktik Wirkung zeigt, braucht es in der Regel nur einen Bruchteil an Beschäftigten, die tatsächlich die Arbeit niederlegen. Das spart der Gewerkschaft Streikgeld und verlängert so den Arbeitskampf.

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