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Bündnis gegen BER-Abschiebezentrum

50 Organisationen wollen verhindern, dass am Flughafen mehr Menschen abgeschoben werden können

Seit Jahren gibt es Protest gegen das Abschiebezentrum am Flughafen BER.
Seit Jahren gibt es Protest gegen das Abschiebezentrum am Flughafen BER.

Lange Zeit sprach man im Brandenburger Landtag vom »Behördenzentrum«, die Bundesregierung bezeichnet es seit einigen Jahren als ein »Ein- und Ausreisezentrum«, und Kritiker*innen sprechen vom »Abschiebeknast«. Am Flughafen BER soll noch dieses Jahr ein Gebäudekomplex entstehen, der unter anderem fast viermal so viele Plätze in Abschiebehaft vorsieht, wie derzeit existieren.

Dagegen regt sich Widerstand: »nd« berichtete über Besetzungen und Demonstrationen. Am Montag veröffentlichte ein Bündnis eine Stellungnahme gegen den derzeitigen Bebauungsplan für das Abschiebezentrum. Unter den Unterzeichnenden finden sich über 50 asylrechtliche Organisationen, darunter Pro Asyl, die Flüchtlingsräte aus Berlin und Brandenburg sowie Sea-Watch. Initiiert wurde die Stellungnahme vom Verein »Wir packen’s an« und der Initiative »Abschiebezentrum BER verhindern«. Sie fordern die Gemeindevertreter*innen in Schönefeld auf, dem derzeitigen Bebauungsplan nicht zuzustimmen. Stattdessen soll die Zivilgesellschaft bis zum 20. Mai am öffentlichen Beteiligungsverfahren teilnehmen.

»Das geplante ›Ein- und Ausreisezentrum‹ am BER steht für eine Politik der systematischen Inhaftierung, Abschottung und Entrechtung«, erklärt Alexis Martel, Sprecherin des Bündnisses. Im »Transit- und Gewahrsamsgebäude« des Abschiebezentrums sind laut öffentlich einsehbarem Bebauungsplan bis zu 156 Plätze vorgesehen – statt derzeit 35. »Die Haftanstalt soll unter anderem für Menschen im sogenannten Ausreisegewahrsam (Abschiebehaft zum Vollzug der Abschiebung) genutzt werden«, teilt das Bündnis mit. Außerdem sollen auch Menschen, denen die Einreise gar nicht erst erlaubt wird (Zurückweisungsfälle) und Asylsuchende im Flughafenasylverfahren dort festgehalten werden.

Der Wohlfahrtsverband Caritas beobachtete am BER bereits 2023 einen deutlichen Anstieg der Zahl von Abschiebungen: Insgesamt 2121 Menschen wurden am Flughafen abgeschoben, fast 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die 1290 Abschiebungen, die es aus dem Land Berlin 2024 gab, seien »überwiegend über den BER erfolgt«, wie eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Inneres »nd« mitteilt.

Das Bündnis gegen den Bau des Abschiebezentrums kritisiert, dass Flughafenasylverfahren unter Haftbedingungen und eingeschränktem Rechtsschutz stattfinden. Abgelehnte Personen würden oft monatelang in Haft sitzen – auch Familien mit Kindern. Die »Taz« veranschaulicht, wie wichtig der Zugang zu Jurist*innen in Abschiebehaft ist: So seien laut dem Rechtsanwalt Peter Fahlbusch bei 1700 Menschen, die er seit 2001 vertreten habe, bei etwa 50 Prozent die Haftentscheidungen rechtswidrig.

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Ferner richtet sich die Kritik des Bündnisses gegen die Begünstigung von Jürgen B. Harder, Investor für den Bau des Abschiebezentrums, der wegen Schmiergeldskandalen bereits vorbestraft ist. Recherchen von »Frag den Staat« deckten massive finanzielle Ungereimtheiten bei der Vergabe des Projekts an den Immobilieninvestor auf: Zum einen gab es keine Ausschreibung, zum anderen sei mit einem veralteten Gutachten begründet worden, dass nur Harder investieren könne. Das Land Brandenburg plant 315 Millionen Euro für 25 Jahre Miete für das Abschiebezentrum ein – Geld, das laut dem Bündnis besser für sozialen Wohnungsbau investiert wäre.

Auch die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Elif Eralp schließt sich der Kritik der Initiative an. Als Linke unterstütze man die Stellungnahme, wie Eralp »nd« sagt. »Die Einrichtung eines neuen Abschiebezentrums und die Etablierung von Flughafen-Asylverfahren am BER lehnen wir als inhuman und Verstoß gegen den völkerrechtlich und im Grundgesetz verankerten Grundsatz eines fairen Verfahrens ab«, so die Abgeordnete.

Und was sagt die Gemeinde Schönefeld? Eine Sprecherin teilt »nd« mit, dass alle Stellungnahmen im öffentlichen Beteiligungsverfahren gesammelt, gesichtet und bewertet werden. »Über das Abwägungsprotokoll muss die Gemeindevertretung befinden, genauso wie über einen möglichen folgenden Satzungsbeschluss«, so die Sprecherin. Die Gemeinde hatte sich im Dezember mehrheitlich für eine öffentliche Beteiligung am Verfahren ausgesprochen.

Alexis Martel als Sprecherin des Bündnisses für über 50 Organisationen ist zuversichtlich, dass ihre Stellungnahme Einfluss darauf nehmen kann, dass der Bau nach derzeitigem Plan nicht umgesetzt wird. Denn »ohne Satzungsbeschluss kann kein Bebauungsplan in Kraft treten – und ohne Bebauungsplan kein Abschiebezentrum«, so Martel gegenüber »nd«. »Die Gemeinde hat die Möglichkeit, diesen wichtigen kommunalrechtlichen Hebel zu nutzen.«

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