Apothekensterben geht weiter

Apotheker hoffen auf die Umsetzung des Koalitionsvertrages und höhere Entgelte

Auch 2024 verschwanden in Deutschland mindestens 530 dieser Schilder für immer.
Auch 2024 verschwanden in Deutschland mindestens 530 dieser Schilder für immer.

Noch gibt es hierzulande 16 908 Apotheken, aber ihre Zahl geht weiter zurück, und zwar »dynamisch«, wie es Claudia Korf von der Bundesvereinigung der Apothekerverbände (Abda) am Mittwoch formulierte. 2024 mussten bundesweit 530 Einzelapotheken oder Filialen schließen, auch im ersten Quartal ist der Trend ungebrochen.

»Das hat einen positiven Nebeneffekt, aber der ist teuer erkauft«, erklärt Korf anlässlich eines Branchentreffs in Berlin. Weil es weniger Apotheken gibt, konnten die »überlebenden« ihre Betriebsergebnisse stabilisieren. Das ist für die Inhaber allerdings nur ein schwacher Trost.

Um so wichtiger sind für sie die Veränderungen, die im Koalitionsvertrag für die Branche angekündigt sind. So wird dort unter anderem ein Fixum von nunmehr neun Euro je Rezept in Aussicht gestellt. Momentan liegt es bei 8,35 Euro netto. Eingeführt wurde dieser Festbetrag zum Ausgleich der fixen Betriebskosten. Zuletzt war das Fixum 2013 um 25 Cent erhöht worden.

Dennoch sind die Apotheker und ihre Verbände mit der nun anstehenden Erhöhung noch nicht wirklich glücklich. Abda-Vertreterin Korf sagt, warum: »80 Prozent der Fixum-Anpassung auf 9,50 werden von Lohnanpassungen geschluckt.« Aus Branchensicht müsste der Betrag bezüglich der auch für Apotheken gestiegenen Kosten eigentlich schon bei elf Euro liegen. Vorgesehen ist im Regierungspapier auch ein modifiziertes (also höheres) Fixum für ländliche Betriebsstätten. Hier wollen die Apotheker auf jeden Fall noch um eine Definition ringen. Denn gefährdet könnten auch Apotheken in bestimmten städtischen Gebieten sein.

Auch nach weiteren Kriterien sehen sich die Apotheken benachteiligt: Zum Beispiel sei der Anteil der Vergütung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen zurückgegangen. Zudem sind laut Hans-Peter Hubmann vom Deutschen Apotheker-Verband bestimmte Sonderentgelte nicht mehr kostendeckend. Dazu zählen Zahlungen für Boten- und Notdienste, für die individuelle Herstellung eines Rezepts oder für Dokumentationspflichten bei der Betäubungsmittelabgabe. »Daraus ist für uns ein Zuschussgeschäft geworden«, ordnet Hubmann diesen Posten ein. Deshalb würden immer weniger Apotheken einen Botendienst anbieten. Ein Dilemma, denn gerade bei einer geringeren Apothekendichte könnte dieser Service noch wichtiger werden.

Ein ganz einfaches Mittel, zu mehr Mitteln zu gelangen, sieht Hubmann darin, dass von den Großhändlern wieder Skonti für die Apotheken erlaubt werden sollten. Jene seien eine Art Belohnung dafür, wenn Apotheken schnell ihre Rechnungen begleichen. Der Vorteil dabei sei, dass das Instrument gegenüber den Krankenkassen kostenneutral sei. Der Haken, das sieht auch Hubmann, sei aber, dass auch die Pharma-Großhändler mit steigenden Kosten zu kämpfen hätten.

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Mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen verändert sich aber auch für Apotheken das Umfeld. Bestimmte lukrative Lagen verlieren an Bedeutung, erläutert Abda-Vertreterin Korf: »Die unmittelbare Nähe zu Ärztehäusern ist heute keine Garantie mehr für viele Kunden.« Denn ihr E-Rezept lösen Patienten nicht unbedingt gleich nach dem Arztbesuch ein. Das liegt auch daran, dass etliche Ärzte das Rezept erst am Nachmittag oder am Folgetag freischalten (also signieren), statt mit einer unmittelbar wirksamen Komfortsignatur zu arbeiten. Die Patienten lösen das E-Rezept dann eher in einer Apotheke in unmittelbarer Nähe zum Wohnort ein.

Laut dem Branchen-Wirtschaftsbericht bleibt etwa ein Viertel der Apotheken in einer prekären Situation. Besonders hart betroffen sind diejenigen, in deren Umfeld auch die hausärztliche Versorgung stark ausgedünnt ist. Zwar erreichte eine Durchschnittsapotheke im Jahr 2024 noch ein Betriebsergebnis vor Steuern und Altersvorsorge von 162 073 Euro. Mehr als ein Viertel der Apotheken schaffte aber nicht einmal 75 000 Euro abgeschlossen.

Immerhin wurde von der neuen Bundesregierung das Modell der Light-Apotheken (also Filialen, die ohne einen approbierten Apotheker rezeptpflichtige Medikamente abgeben dürfen) endgültig fallengelassen. Über die Vergütung im Detail werden der DAV und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung in naher Zukunft verhandeln.

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