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Flugdaten-Riese gibt Milliarden Passagierprofile an US-Behörden
Abmachung gibt Behörden und Militär Zugriff auf Daten von weltweiten Kunden
Die Airlines Reporting Corporation (ARC), eine von neun großen Fluggesellschaften kontrollierte und zentrale Abrechnungsstelle, hat sich zu einem heimlichen Herrscher über Reisedaten von Milliarden Passagieren entwickelt. Jede zweite Flugbuchung weltweit – ob über Expedia, Booking.com oder klassische Reisebüros – landet in ihren Systemen. Was kaum ein Reisender weiß: Diese Daten werden seit Jahren an US-Behörden verkauft, wie das US-Magazin »The Lever« unter Berufung auf eingesehene Dokumente berichtet.
Besonders brisant: Die ARC beliefert demnach nicht nur die Einwanderungsbehörde ICE, sondern seit 2017 auch das Verteidigungs- und Finanzministerium in Washington sowie seit 2018 das Heimatschutzministerium. Die Daten würden zudem in einem weitgehend geheimen »Travel Intelligence Program« ausgewertet. Die Behörden erhalten laut »The Lever« auf diese Weise Zugriff auf ein Archiv mit über einer Milliarde Einträgen – inklusive Namen, Kreditkartennummern und zukünftiger Reisepläne. Suchanfragen in diesem riesigen Datensee sind in Echtzeit möglich.
An der ARC sind alle großen US-Fluglinien beteiligt, aus Europa außerdem auch Lufthansa und Air France. Der Zusammenschluss kooperiert mit fast 500 weiteren Airlines. Neben der Abwicklung von Tickettransaktionen vergibt die ARC Zertifizierungen an Reisebüros und ermöglicht Zugriff auf gebündelte Flugbuchungsdaten. Eine Akkreditierung erlaubt Reisebüros, Flugtickets auszustellen und bietet Zugang zu Datenanalysen und IT-Werkzeugen. Während die ebenfalls als Abrechnungsstelle fungierende International Air Transport Association (IATA) weltweit agiert, ist ARC auf den US-Markt spezialisiert – doch ihr Datenpool ist global.
Edward Hasbrouck, ein weltweit bekannter Reiseblogger und Experte für Datenschutz, bezeichnet die ARC-Datenbank gegenüber »The Lever« als beispiellos. Nirgendwo sonst seien Fluggastprofile so zentralisiert verfügbar. Das Programm sei nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als Anti-Terror-Maßnahme eingeführt worden, werde nun aber für weitreichendere Zwecke genutzt.
US-Behörden wie das FBI und die Grenzbehörde CBP greifen bereits auf andere Flugpassagierdaten zu, darunter die »Passenger Name Records« (PNR). Diese werden direkt von Airlines oder über Reisebüros übermittelt, wenn ihre Kund*innen einen Flug buchen. Die Echtzeitdatenbank der ARC geht jedoch darüber hinaus, denn ihre Milliarden Einträge reichen bis zu 39 Monate zurück und umfassen auch bis zu elf Monate in der Zukunft geplante Reisen.
Expert*innen wie Hasbrouck warnen vor dem Missbrauchspotenzial dieser gebündelten Datenflut. Während Einzelauskünfte an Grenzbehörden üblich sind, ermöglicht das Fischen im ARC-Datensee lückenlose Bewegungsprofile – das ist besonders unter der restriktiven und rechtswidrigen Einwanderungspolitik des Präsidenten Donald Trump äußerst bedenklich.
Edward Hasbrouck betont deshalb: »Zersplitterte Daten bei einzelnen Airlines erschweren Massenanalysen. Diese zentrale Sammelstelle ist ein Game-Changer für Überwachung.« Überdies könnte die Weitergabe europäischer Flugdaten an US-Behörden gegen das EU-Datenschutzrecht verstoßen, da weder Reisende noch beteiligte Airlines über diese Praxis informiert würden, warnt der Reiseblogger.
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