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Bericht des Expertenrats für Klimafragen: Vom Zielkurs abgekommen
Anton Benz wundert sich über die Berichterstattung zum aktuellen Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen
»Deutschland schafft Klimaziel für 2030«, war nach dem Erscheinen des neuen Prüfberichts des Expertenrats für Klimafragen in zahlreichen Medien zu lesen. Und auch der neue Umwelt- und Klimaminister Carsten Schneider proklamierte im Bundestag, »dass wir insgesamt auf Zielkurs sind«. Das klingt super, hat nur einen kleinen Haken: Es stimmt so nicht.
Doch von vorne. Was hat der Expertenrat tatsächlich gesagt? Im Wesentlichen bestätigte er die Berechnungen des Umweltbundesamts für 2024. Demnach wurden die vorgeschriebenen Emissionsminderungen für 2024 erreicht. Auch das Emissionsbudget bis 2030 wird eingehalten.
Aber – Achtung, es wird kompliziert – das eigentliche Klimaziel 2030 besteht darin, in genau diesem Jahr die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt zu haben. Und das wird voraussichtlich verfehlt, wenn auch knapp.
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Emissionsbudget eingehalten, Klimaziel verfehlt – wie das? Das Emissionsbudget ist eine zulässige Gesamtmenge an Emissionen, das Klimaziel ein konkretes Punktziel. Wegen der lahmenden Wirtschaft haben wir in den vergangenen Jahren weniger CO2 ausgestoßen als angenommen und uns so einen Emissions-Puffer aufgebaut. Dieser Puffer schmilzt jedoch und wird in ein paar Jahren verschwunden sein, sodass wir das Klimaziel 2030 wahrscheinlich nicht erreichen werden.
Es läuft also gerade auch ganz okay, weil es schlecht für die Wirtschaft läuft. Das führt uns zum zweiten Grund, warum Deutschland eben nicht auf Zielkurs ist: Der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und CSU zielt auf Wirtschaftswachstum fast ohne Rücksicht auf das Klima. Überhaupt ist Merz das leidige Klimathema recht egal, wie zuletzt in seiner Regierungserklärung deutlich wurde.
Zu den anstehenden klimapolitischen Veränderungen unter Merz sagt der Expertenrat aber nicht viel, außer dass vom Koalitionsvertrag kein »nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030« ausgeht. Das verharmlost die tatsächlichen Verhältnisse.
Nur ein Beispiel: Der Journalist Malte Kreutzfeldt wies darauf hin, dass im Koalitionsvertrag von »bis zu 20 Gigawatt« neuer Gaskraftwerke die Rede ist. CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche forderte nun aber prompt »mindestens 20 Gigawatt«; am Ende landete das Wirtschaftsministerium bei der Aussage: »Wir werden 20 Gigawatt ausschreiben« – die Wörtlein »bis zu« einfach ausradiert.
Aber wer es mit der Sprache ohnehin nicht so genau nimmt, der darf auch weiterhin behaupten, dass Deutschland auf Zielkurs ist. Knapp daneben ist immerhin fast drin.
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