Gefangenen­austausch geplant

Kreml nimmt Tempo aus Gesprächen

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Ukrainische Soldaten nach ihrer Rückkehr aus russischer Gefangenschaft (Archivbild): Jetzt haben die Ukraine und Russland einen großen Gefangenen­austausch vereinbart.
Ukrainische Soldaten nach ihrer Rückkehr aus russischer Gefangenschaft (Archivbild): Jetzt haben die Ukraine und Russland einen großen Gefangenen­austausch vereinbart.

Nach langem Hin und Her haben sich erstmals seit über drei Jahren russische und ukrainische Unterhändler getroffen, um über ein Ende des Krieges zu sprechen. Nach weniger als zwei Stunden waren die Verhandlungen allerdings bereits beendet. Immerhin endete das Treffen trotz offensichtlich großer Differenzen nicht mit einem Eklat.

Schon die Bilder von der Eröffnung der Gespräche in der Bosporus-Metropole Istanbul zeigten, wie die beiden Delegationen weit voneinander entfernt saßen. Der türkische Außenminister Hakan Fidan, der die Gespräche formell mit der Begrüßung beider Abordnungen einleitete, diente als Puffer zwischen den Verhandlungstischen im Dolmabahçe-Palast. Fidan forderte in seiner Eröffnungsrede einen zügigen Waffenstillstand und unterstrich damit eine zentrale Forderung der Ukrainer.

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Noch keine Waffenruhe vereinbart

Das ließ sich am Ende nicht durchsetzen. Vereinbart worden sei zunächst ein Austausch von Kriegsgefangenen, teilte der Leiter der ukrainischen Verhandlungsdelegation und Verteidigungsminister Rustem Umjerow mit. Jeweils 1000 Soldaten beider Kriegsparteien sollen in ihre Heimat zurückkehren. Es wäre der zahlenmäßig größte Gefangenenaustausch seit Kriegsbeginn. Dies ist aber auch das einzig bekannte Resultat des Gesprächs.

Ohnehin hatten die wenigsten Beobachter mit einer schnellen Einigung gerechnet, da Russen und Ukrainer mit unterschiedlichen Vorgaben in die Verhandlungen gestartet sind: Kiew will vor allem eine schnelle Waffenruhe aushandeln, damit das Blutvergießen endet. Anschließend sollen die Bedingungen für einen dauerhaften Frieden geklärt werden.

Moskau zufrieden und will weiter reden

Dass die Waffenruhe wichtigstes Thema für Kiew war, bestätigte Umjerow auch nach der Verhandlungsrunde. Darüber hinaus sei es um einen möglichen Gipfel zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Kreml-Chef Wladimir Putin gegangen, teilte er mit. Ergebnisse zu diesen Punkten konnte er nicht vermelden.

Russland seinerseits hatte darauf beharrt, dass es bei den Verhandlungen um die »Beseitigung der Ursachen des Konflikts« gehe, wie das Außenministerium in Moskau noch einmal zu Verhandlungsbeginn klarstellte. Solche Gespräche müssten deutlich länger dauern – und in der Zeit werde weitergekämpft.

»Wir haben vereinbart, dass alle Seiten ihre Sicht einer möglichen Waffenruhe vorstellen und detailliert aufschreiben.«

Wladimir Medinski 
Russischer Verhandlungsführer

Trotzdem zeigte sich der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski zufrieden mit der Gesprächsrunde. Moskau sei bereit zu weiteren Verhandlungen – auch über eine Waffenruhe. »Wir haben vereinbart, dass alle Seiten ihre Sicht einer möglichen Waffenruhe vorstellen und detailliert aufschreiben«, sagte er nach dem Ende des Treffens. Anschließend würden die Verhandlungen weitergehen. Einen konkreten Zeitplan nannte er nicht.

USA: Keine großen Erwartungen

US-Präsident Donald Trump hatte schon am Donnerstag – nach Bekanntwerden des Fehlens von Putin – gesagt, dass er keine großen Erwartungen an das Treffen in Istanbul habe. »Es wird nichts passieren, bis Putin und ich zusammenkommen«, sagte er während seiner Golfstaaten-Reise. Außenminister Marco Rubio äußerte sich später ähnlich. Trump ist inzwischen aus dem Nahen Osten in die Staaten zurückgekehrt.

Vor seinem Abflug erklärte er dabei noch einmal seine Bereitschaft, sich so bald wie möglich mit dem Kreml-Chef zu treffen, um den Krieg zu beenden. Mit Selenskyj ist er seit seinem zweiten Amtsantritt zweimal zusammengetroffen – zuletzt im Vatikan bei der Beerdigung von Papst Franziskus. Mit Putin hat er hingegen bislang nur telefoniert. Ansonsten lief die Kommunikation über den US-Sondergesandten Steve Witkoff.

Kreml bremst bei Treffen zwischen Trump und Putin

Allerdings tritt auch bezüglich eines solchen Gipfels der Kreml auf die Bremse. Die Erwartungen an ein baldiges Treffen dämpfte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Das sei zweifellos nötig, stimmte er Trumps Wunsch nach einer Begegnung zu. »Doch ein Treffen auf höchster Ebene muss vorbereitet und resultativ sein«, schränkte er zugleich ein.

Solchen Treffen gingen daher immer Verhandlungen zwischen Experten, Konsultationen und eine »lange, nervenaufreibende Vorbereitung« voraus, sagte Peskow. Moskau bleibt damit bei seiner Linie, auf Zeit zu spielen. Das Kalkül dahinter: Auf dem Schlachtfeld sieht sich Moskau in der Oberhand, dementsprechend rechnet der Kreml damit, dass sich seine Gesprächsposition durch Verzögerungen nur verbessert, solange gekämpft wird.

EU erhebt neue Sanktionsdrohungen

Zumindest von europäischer Seite könnten als Konsequenz daraus nun weitere Sanktionen gegen Russland folgen. Bei einem Treffen europäischer Staats- und Regierungschefs in der albanischen Hauptstadt Tirana kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Vorschlag für ein neues Paket mit Strafmaßnahmen an. Großbritanniens Regierungschef Keir Starmer erklärte, sollte es keine Waffenruhe geben, werde man bei Sanktionen gemeinsam handeln.

Nach Angaben von der Leyens richtet sich das neue EU-Paket unter anderem gegen die Wiederaufnahme des Betriebs der Nord Stream-Gaspipelines. Zudem sind eine Senkung des Preisdeckels für russisches Öl sowie weitere Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor und gegen Schiffe der russischen Schattenflotte geplant. Dies soll Russland an der empfindlichsten Stelle treffen.

Die neuen Planungen haben nichts zu tun mit dem bereits ausgehandelten 17. EU-Paket mit Russland-Sanktionen. Dieses soll am kommenden Dienstag bei einem Außenministertreffen in Brüssel formell beschlossen werden. Es sieht unter anderem eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor. Zudem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung bestehender Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen. dpa/nd

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