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Studie: Letzte Generation war gut für Klimapolitik
Ein Forschungsbericht untersucht, wie sich ziviler Ungehorsam in Wahlumfragen niederschlägt
Ein neuer Bericht legt nahe: Die Proteste der Letzten Generation haben dazu geführt, dass mehr Wähler*innen für die Linke und die Grünen stimmen wollten – und weniger für die AfD. Die Forschenden selbst sprechen von einem »bescheidenen, aber messbaren« Einfluss. Die Studie wurde nicht in einem Fachjournal veröffentlicht und blieb ohne unabhängige Prüfung.
Das Team um Markus Ostarek vom Social Change Lab untersuchte Protestdaten und Wahlumfragen aus den Jahren 2022 und 2023. Wenn innerhalb von sieben Tagen vor einer Umfrage eine Aktion der Letzten Generation stattfand, stieg die gemeinsame Zustimmung für Linke und Grüne um 0,33 Prozentpunkte – während die AfD 0,44 Prozentpunkte verlor. Die Forschenden rechnen vor: Bei einer tatsächlichen Wahl hätten die Proteste der Letzten Generation zu über 160 000 zusätzlichen Stimmen für Linke und Grüne geführt und zu einem Stimmverlust von etwa 220 000 für die AfD.
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»Eine plausible Erklärung ist, dass die Klimaproteste die AfD-Wähler zur klimafreundlicheren CDU und die Wähler der SPD zu den klimafreundlicheren Parteien Grüne und Linke wandern«, spekulieren die Autor*innen. Ob der Protest die Umfragen wirklich veränderte, lässt sich mit der Methode aber nicht beweisen.
Die Forschungsgruppe untersuchte zudem die Wirkung ähnlicher Protestgruppen in Schweden und Großbritannien. In Schweden, wo die Datenlage schlechter war, zeigten sich etwas stärkere Zugewinne für klimafreundliche Parteien. In Großbritannien legten sowohl progressive als auch konservative Parteien zu – ein Effekt zugunsten des Klimas blieb aus. »Dies deutet darauf hin, dass die Klimaproteste im Vereinigten Königreich stärker polarisierend wirken«, schreiben die Forschenden.
Bereits in der Vergangenheit legten mehrere Studien nahe, dass die Klimastreiks von Fridays for Future bei den Grünen für einen Stimmgewinn gesorgt hatten – sowohl bei der Europawahl 2019 als auch bei der Bundestagswahl 2021. Wie Proteste in der Art der Letzten Generation auf die Wahlabsicht wirken, wurde laut den Autor*innen bisher nicht untersucht. Überhaupt ist sich die Forschung bei der Frage uneinig, wie sich diese Protestform auswirkt. Denn ein museales Gemälde mit Kartoffelbrei zu beschmieren, oder sich auf einer Straße festzukleben, bringt zwar jede Menge Aufmerksamkeit – stößt aber auch auf erhebliche Ablehnung.
Manche Studien deuten deshalb darauf hin, dass Straßenblockaden oder Sachbeschädigungen eher zu einer geringeren Unterstützung klimapolitischer Maßnahmen führen. Andere Forschungsarbeiten finden das Gegenteil: Ihnen zufolge können Menschen zwar die Strategie der Aktivist*innen ablehnen, sich ihren inhaltlichen Forderungen aber dennoch anschließen.
Auch die aktuelle Studie des Social Change Labs spricht für einen positiven Effekt der Letzten Generation auf klimapolitische Maßnahmen. Die Autor*innen bezeichnen die Ergebnisse als »ermutigend für die Befürworter von disruptiven Klimaprotesten«. Selbst geringe Veränderungen in der Wahlabsicht können erhebliche Auswirkungen haben, indem sie die Klimapolitik indirekt beeinflussen. Auch deshalb können die Proteste von Gruppen wie der Letzten Generation eine »politisch sinnvolle Taktik sein«.
Doch die Gruppen selbst scheinen ihren politischen Effekt anders zu bewerten. Ende vergangenen Jahres entschied sich die Letzte Generation für einen Strategiewechsel – und spaltete sich in Neue Generation und Widerstandskollektiv. Auch die britische Partnergruppe Just Stop Oil erklärte, »die Warnwesten an den Nagel zu hängen«. Ob und wie sich die Neue Generation erneuert hat, zeigt sich wohl im Juni. Für die erste Juniwoche hat die Gruppe eine »Widerstandswelle« angekündigt.
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