China baut auf niedrige Zinsen

Geldpolitik der Zentralbank wird für die Wirtschaft der Volksrepublik immer wichtiger

Blick auf die Zentrale der chinesischen Zentralbank, People’s Bank of China (PBOC), in Peking
Blick auf die Zentrale der chinesischen Zentralbank, People’s Bank of China (PBOC), in Peking

Wie die großen westlichen Zentralbanken bewegt sich die Chinesische Volksbank (PBoC) in einem unsicheren weltwirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld. Vergangene Woche haben sich China und die USA darauf verständigt, ihre gegenseitigen Zölle deutlich zu senken. Ein Großteil wird für 90 Tage ausgesetzt. Wie es nach der Frist weitergeht, dürfte das große Thema auf der Sitzung des Vorstands der Volksbank in Peking am Dienstag sein.

Um die Wirtschaft zu stützen, hat die PBoC bereits Anfang Mai den wichtigsten Leitzins gesenkt, auf nur noch 1,4 Prozent. Die letzte Zinssenkung war im September erfolgt, um 0,2 Prozent auf 1,5 Prozent. Längere als solche Trippelschritte sind kaum möglich, weil die Leitzinsen ohnehin sehr niedrig sind. Zum Vergleich: Die amerikanische Zentralbank Federal Reserve (Fed) verlangt von Banken 4,25 bis 4,5 Prozent Zinsen, die Europäische Zentralbank (EZB) immerhin 2,4 Prozent.

Die Senkung des Leitzinses durch Chinas Notenbank wird zu niedrigeren Kreditkosten führen und soll dadurch Wirtschaft und Konsum ankurbeln. Die gleiche Wirkung erhofft sich der Gouverneur der PBoC, der Ökonom Pan Gongsheng, von einer Senkung des Mindestreservesatzes. Banken müssen dadurch weniger Kapital als Reserve vorhalten und können mehr Kredite an Unternehmen und Verbraucher ausgeben.

»Diese Maßnahmen erfolgen vor dem Hintergrund des Handelskonflikts mit den USA und der Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung in China«, schreiben die Analysten der Commerzbank. Die geldpolitische Lockerung durch die PBoC soll dabei die fiskalpolitische Lockerung der Regierung in Peking ergänzen, um die Auswirkungen der höheren US-Zölle und der chinesischen Antwortzölle auf die chinesische Wirtschaft zu dämpfen.

China hatte in den jüngsten Quartalen noch stark vom Export als Wachstumsmotor profitiert. Die Nettoexporte trugen 40 Prozent zum beachtlichen Wirtschaftswachstum von 5,4 Prozent im ersten Quartal bei. Offenbar haben viele Konzerne angesichts des Zollhammers, den US-Präsident Trump schwingt, Im- und Exporte zeitlich vorgezogen, ehe die neuen Zollraten in Kraft treten. Aufgrund der US-Zölle könnten die Exporte während des laufenden Jahres deutlich zurückgehen. Lieferketten und die Beschäftigung in China werden davon betroffen sein. Dies erhöht den Druck auf die PBoC zu Konjunkturmaßnahmen, um die Wirtschaftsentwicklung zu stützen.

Allerdings rechnen Ökonomen in Deutschland damit, dass chinesische Unternehmen versuchen werden, mehr Waren in der Europäischen Union abzusetzen. Diese Sorge treibt ebenfalls viele Regierungen in der asiatischen Nachbarschaft um. Die USA sind der größte Einzelabnehmer chinesischer Produkte, mit einem Marktanteil von rund 15 Prozent. Etwas höher ist laut der deutschen Außenhandelsorganisation GTAI der Anteil der 27 EU-Staaten. Chinas Nachbarn Japan, Südkorea und Vietnam kommen zusammen mit Indien auf den gleichen Anteil. Dies zeigt: Chinas Exportwirtschaft ist breit aufgestellt. Außerdem ist die Volksrepublik mit einem Anteil der Exporte an der gesamten Wirtschaftsleistung von 19 Prozent weit weniger abhängig vom Außenhandel als Deutschland (2023: 43,4 Prozent).

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Bis in die 70er Jahre hinein hatte die 1949 gegründete PBoC noch als eine Art staatliche Geschäftsbank agiert. Sie gab zwar auch Banknoten und Münzen heraus, wickelte aber zugleich den alltäglichen Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen ab und vergab private Kredite. Der Kongress der Kommunistischen Partei im Dezember 1978 markierte für die PBoC einen Wendepunkt: Nach und nach wurden in zwei Jahrzehnten die Märkte liberalisiert, ein vielfältiges, kapitalistisches Banksystem wurde geschaffen.

Während die EZB jedoch dem alleinigen Ziel der Preisstabilität verpflichtet bleibt, ist das Ziel der Geldpolitik der PBoC zugleich »die Förderung des Wirtschaftswachstums«. Auch die Fed versucht, den Arbeitsmarkt zu stabilisieren, indem sie die Wirtschaft ankurbelt. Daher werden in den kommenden Monaten weitere Zinssenkungen erwartet. In Washington wie in Peking.

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