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Lars Klingbeil: Napoleon mit SPD-Parteibuch
Christoph Ruf hält Lars Klingbeil für einen Machtpolitiker, wie er im Buche steht
Mit der SPD hart ins Gericht zu gehen, verbietet eigentlich schon die gute Erziehung, die besagt, dass man auf am Boden Liegende nicht eintritt. Und tatsächlich haben die Landesparteitage in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gezeigt, dass die sozialdemokratische Basis eben nicht alles klaglos frisst, was die informellen Machtzentren so auskungeln. Parteichef Lars Klingbeil hat zuletzt zweimal mächtig Gegenwind bekommen. Was er auf all die kritischen Fragen geantwortet hat, war hingegen nicht der Rede wert. Konkreter als »Natürlich haben wir Fehler gemacht« und die Ankündigung, das Wahldesaster »aufzuarbeiten«, wurde es nicht. Was genau er aufarbeiten will, wann und mit welcher Konsequenz? Berechtigte Fragen. Aber keine, die man einem Mann stellen sollte, dessen politischer Gestaltungswille so weit geht, dass er allen Ministerien die gleichen Sparvorgaben unterbreitet.
Dennoch dürfte der eine oder andere Delegierte mit der Hoffnung von Husum und Duisburg nach Hause gefahren sein, dass in irgendeiner Besenkammer im Willy-Brandt-Haus gerade eine profunde Wahlanalyse nebst Strategiedebatte stattfindet. Klingbeil wusste schon vor den Terminen, dass sie unangenehm werden. Nachdem er sich nach der Bundestagswahl staatsstreichartig die Macht in der Partei gesichert hatte, war das eingepreist. Wie es ihm auch klar war, dass es besonders Jusos und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratische Frauen nicht beklatschen würden, auf welch niederträchtige Weise er seine Ko-Vorsitzende Saskia Esken zum Abschuss freigegeben hat. Vor allem aber wusste er, dass das alles herzlich egal sein würde, weil letztlich auch in der SPD die Basis immer grummelnd klein beigibt.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Wer über die von einem Holsteiner Delegierten zu Recht mit Napoleon verglichenen Machtinstinkte Klingbeils verfügt, muss dann nur noch genau das tun, was der SPD-Chef in den vergangenen Tagen getat hat, und seine Macht ist auf Jahre zementiert. Zum einen: möglichst vielen loyalen Menschen zu Kabinettsposten verhelfen. Wenn die einem dann noch ihre Macht verdanken, entstehen doppelte Abhängigkeiten. Und die halten besonders gut.
Zum anderen: die vielleicht einzige Frau mit ins Boot holen, die es schafft, den linken Flügel zu besänftigen und gleichzeitig diejenigen leiser werden zu lassen, die vermuten, dass die Art und Weise, wie Saskia Esken abserviert wurde, auch etwas mit männlichen Machttechniken zu tun hat. Simsalabim, wird sie Arbeitsministerin und wohl auch Ko-Vorsitzende.
Das alles ist fast schon beschämend durchsichtig. Noch trauriger ist allerdings, dass es dennoch funktionieren wird. In diesem Jahr gibt es keine Landtagswahlen mehr; und bis im kommenden Frühjahr die Abstimmungen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stattfinden, hat neben der SPD-Basis auch der Rest der Wählerschaft vergessen, wie Lars Klingbeil ein Jahr zuvor an der Macht behauptet hat. Wer bei 16,4 Prozent den Laden faktisch übernimmt, kann nur gewinnen. Um das zu wissen, braucht man in seinem Leben noch keinen originellen Gedanken gehabt zu haben. Es genügt, die Machttechniken zu beherrschen, die nicht nur in der SPD weit wichtiger sind als das, was auf Wahlplakate gedruckt wird.
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