Reform des Kommunal­wahl­gesetzes: Immer auf die Kleinen

Reform des Kommunal­wahl­gesetzes in NRW für verfassungswidrig erklärt

Bei den Kommunalwahlen in NRW sahen die kleinen Parteien ihre Chancengleichheit verletzt.
Bei den Kommunalwahlen in NRW sahen die kleinen Parteien ihre Chancengleichheit verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat am vergangenen Dienstag das sogenannte Rock-Verfahren für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht gab mit einer knappen Mehrheit von vier zu drei Stimmen der Klage von Die Linke NRW und Die Partei NRW statt. Damit wurde ein zentrales Element der Kommunalwahlrechtsreform vom Juli 2024 gekippt, das insbesondere kleineren Parteien den Einzug in kommunale Parlamente erschwert hätte.

Die schwarz-grüne Landesregierung hatte am 5. Juli 2024 eine umfassende Reform des Kommunalwahlgesetzes beschlossen. Das Gesetzespaket beinhaltete mehrere Änderungen zur Vorbereitung der für September 2025 geplanten Kommunalwahlen. Unter anderem wurde die höchstmögliche Abweichung der einzelnen Wahlbezirke von der durchschnittlichen Größe im Wahlgebiet von 25 auf 15 Prozent abgesenkt. Besonders umstritten war jedoch die Einführung des nach seinem Entwickler benannten »Rock-Verfahrens« zur Sitzverteilung in kommunalen Parlamenten. Die Hauptmotivation hinter dieser Reform war das Bestreben, eine weitere Zersplitterung der Räte in den Kommunen zu verhindern. Aus Sicht der Befürworter, wie der Grünen-Fraktion NRW, sollte die Reform mehr Fairness und Nachvollziehbarkeit in die Sitzzuteilung bringen. Das erklärte Ziel war es sicherzustellen, dass jede abgegebene Stimme einen möglichst großen Einfluss auf die Verteilung der Sitze hat, um den Prozess fair, transparent und vorteilhaft für alle Wähler zu gestalten. Es wurde argumentiert, dass es ungerecht sei, wenn eine Partei mit einem geringen Stimmenanteil durch »Rundungsglück« unverhältnismäßig viele Sitze erhalte, was prozentual stärker ins Gewicht fiele, als wenn diese Sitze an größere Parteien gingen. Dafür sollte das »Rock-Verfahren« das bisher geltende Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren ersetzen. Simon Rock, selbst Landtagsabgeordneter der Grünen, hatte das Verfahren entwickelt.

Im Laufe der Verhandlungen vor dem Verfassungsgerichtshof räumten selbst die Landesregierung und der Entwickler des Verfahrens ein, dass das neue Modell kleinere Parteien systematisch benachteiligen würde. Das Gericht konnte keinen zwingenden Grund für die Einführung des neuen Verfahrens erkennen und stellte fest, dass das bisherige Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren derzeit das optimale System darstelle. Sebastian Merkens, Landesgeschäftsführer der Linken NRW, begrüßte das Urteil ausdrücklich: »Unsere Demokratie lebt von Vielfalt. Es darf nicht sein, dass kleine Parteien durch neue Rechenmodelle aus den Räten gedrängt werden. Dieses Urteil ist ein wichtiger Erfolg für faire Wahlen.« Die Linke NRW und Die Partei NRW hatten die Klage gemeinsam eingereicht, um die Chancengleichheit im kommunalen Wahlrecht zu verteidigen.

Auch Volt NRW hatte Ende August 2024 Klage gegen die Reform eingereicht. Die Partei kritisierte, dass durch die Reform der Wähler*innenwille missachtet werde, da viele Stimmen für kleinere Parteien durch das neue Verfahren weniger oder gar nicht zum Tragen gekommen wären. Markus Blümke, Vorsitzender von Volt NRW, betonte: »Gerade in den Städten und Kreisen möchten viele Menschen andere Akzente setzen. Die Chancen, Mandate zu erringen, dürfen nicht durch machtpolitische Entscheidungen der Regierung beschnitten werden.«

Mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs wird die Sitzverteilung bei der kommenden Kommunalwahl im September weiterhin nach dem bewährten Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren erfolgen. Für kleinere Parteien bedeutet dies bessere Chancen auf eine angemessene Vertretung in den kommunalen Parlamenten. Für die Landesregierung stellt die Entscheidung einen empfindlichen Rückschlag dar, da ein wesentlicher Teil ihrer Wahlrechtsreform als verfassungswidrig eingestuft wurde. Die Kommunalwahl wird somit unter den bewährten Regeln stattfinden – eine Entwicklung, die viele kleinere Parteien aufatmen lässt, während die etablierten Parteien sich weiterhin auf komplizierte Mehrheitsbildungen einstellen müssen.

- Anzeige -

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.