Grüne: Özdemir will den Kretschmann machen

Landesparteitage in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stimmen auf Kommunal- und Landtagswahlen ein

  • David Bieber
  • Lesedauer: 5 Min.
Özdemir im Glück: Mit 97 Prozent der Stimmen wurde der Ex-Bundeslandwirtschaftsminister am Samstag in Heidenheim zum Ministerpräsidentenkandidaten gewählt.
Özdemir im Glück: Mit 97 Prozent der Stimmen wurde der Ex-Bundeslandwirtschaftsminister am Samstag in Heidenheim zum Ministerpräsidentenkandidaten gewählt.

Die Ausgangslage könnte für Cem Özdemir besser sein. Der Ex-Bundeslandwirtschaftsminister ist in Baden-Württemberg zwar beliebt. Doch ob das reicht, um im kommenden Jahr die Nachfolge von Winfried Kretschmann im Amt des Ministerpräsidenten anzutreten, ist offen, denn in den Umfragen führt die CDU.

Immerhin: Die Grünen stehen hinter Özdemir. Auf einem Landesparteitag in Heidenheim erhielt der 59-Jährige am Samstag 97 Prozent der Stimmen als Ministerpräsidentenkandidat zur Landtagswahl 2026. Nach 15 Jahren Amtszeit von Kretschmann soll der Politiker seiner Partei die Macht sichern und zum zweiten Grünen-Ministerpräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik werden. Özdemirs Konkurrent um das Amt ist der Landesvorsitzende und Fraktionschef der CDU, Manuel Hagel. Der 37-Jährige war eine Woche zuvor zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt worden.

In der jüngsten Umfrage von SWR und »Stuttgarter Zeitung« kam die CDU kam auf 31 Prozent, die AfD auf 19 Prozent. Die Grünen landeten mit 20 Prozent knapp vor den extrem Rechten auf Platz zwei. Könnten die Menschen den Regierungschef direkt wählen, würde Özdemir hingegen deutlich gewinnen: Einer aktuellen SWR-Umfrage zufolge wünschen sich 39 Prozent der Befragten Özdemir als Ministerpräsidenten. Hagel würden nur 18 Prozent wählen.

Er wolle keine Thronfolge antreten, sagte Özdemir in seiner Bewerbungsrede. »Ich will für Baden-Württemberg ein neues Kapitel aufschlagen.« Im Wahlkampf wolle er »klare Kante aber auch eine ausgestreckte Hand« zeigen. Er wolle »nicht dazu beitragen, unsere Heimat weiter auseinanderzudividieren, die Menschen gegeneinander aufzubringen«. Kretschmann hatte seinen potenziellen Nachfolger zuvor als bodenständig, pragmatisch, heimatverbunden und zugleich weltoffen gelobt. Özdemir sei »durch und durch aus Ministerpräsidenten-Holz geschnitzt«.

Neben der Wahl Özdemirs stand auf dem Parteitag in Heidenheim die Aufstellung einer Liste für die Landtagswahl auf dem Programm. Darauf hat Özdemir allerdings wegen einer besonderen Regelung der Grünen nicht die Nase vorn. Vor ihm soll auf Platz 1 Umweltministerin Thekla Walker stehen. Grund dafür ist das sogenannte Frauenstatut der Partei. Dieses legt fest, dass Wahllisten mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt werden müssen und dass Frauen die ungeraden Plätze vorbehalten sind.

Repräsentanten des geräusch- und profilarmen Mitregierens auf dem Kölner Parteitag am Samstag: der Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak und NRW-Vizeministerpräsidentin Mona Neubaur.
Repräsentanten des geräusch- und profilarmen Mitregierens auf dem Kölner Parteitag am Samstag: der Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak und NRW-Vizeministerpräsidentin Mona Neubaur.

Derweil haben sich die Grünen in Nordrhein-Westfalen auf einem zeitgleich stattfindenden Landesparteitag in Köln auf die Kommunalwahl im September eingestimmt. Sie möchten ihr Rekordergebnis von 2020 wiederholen: Vor fünf Jahren erzielten die Grünen bei den Rats- und Kreistagswahlen in NRW 20 Prozent und eroberten etliche Rathäuser, darunter jene in Bonn, Wuppertal und Aachen.

Damals zogen die Grünen sowohl landes- als auch bundesweit noch – mit Klimaschutz, Verkehrswende, mehr Platz fürs Fahrrad, Zusammenhalt in einer weltoffenen Gesellschaft. Fünf Jahre später sind die Hauptthemen bezahlbares Wohnen und mehr Geld für dringend nötige Infrastrukturprojekte. Zudem haben die Grünen als erster Landesverband der Partei ein AfD-Verbot gefordert. Damit wolle man ein starkes Zeichen für die »verfassungspatriotische Verantwortung« setzen, so der Landesvorstand.

Unter dem Motto »Zuhause für 18 Millionen« sprachen sich die gut 280 Delegierten dafür aus, kommunale Wohnungsbaugesellschaften zu stärken, mehr und günstiger zu bauen und kurzfristige touristische Vermietungen über Plattformen wie Airbnb in angespannten Wohnungsmärkten wie Düsseldorf, Köln oder Münster zu begrenzen.

»Steigende Mieten sind zu einer der drängendsten sozialen Fragen unserer Zeit geworden«, sagte die NRW-Landesvorsitzende Yazgülü Zeybek. Die Grünen seien »derzeit die einzige Partei, die sich diesem Problem konsequent stellt«, so Zeybek. Sie unterschlug damit, dass bezahlbares Wohnen das Topthema der Linken im Bundestagswahlkampf war und diese zudem mit der »Mietwucher-App« und der Forderung nach einem bundesweiten Mietendeckel vorangegangen war.

Damit die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wieder mehr bauen, solle die NRW-Bank ihnen günstige Kredite geben können, so Zeybek. Außerdem müssten die Unternehmen einfacher auf Grundstücke des Landes zugreifen können. »Wir wollen unsere Städte und Gemeinden mit Vorkaufsrechten ausstatten. Der Bau bezahlbarer Wohnungen muss ab jetzt immer Vorrang haben.« Doch um bauen zu können, brauchen Kommunen erst mal Geld. Deshalb, so die Forderung, müsse der Bund die Kommunen »endlich von ihren Altschulden« befreien.

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Zeybek forderte die Bundesregierung auf, mit dem 500 Milliarden schweren Investitionspaket konkret vor Ort den Umbau von leerstehenden Büro- und Gewerbeflächen in Wohnungen zu unterstützen. »Und wir wollen Bauen einfacher machen durch Bürokratieabbau und die Senkung unnötiger Baustandards.«
Kritiker werfen den Grünen indes vor, als Teil der aktuellen und vorherigen Landesregierung zur Wohnungsmarktkrise in NRW beigetragen zu haben.

Für den Dringlichkeitsantrag, in dem ein AfD-Verbot gefordert wird, votierten in Köln bis auf eine Enthaltung alle Delegierten. Zuvor hatte aber der seit Jahren in der Kritik stehende Landesjustizminister Benjamin Limbach für Irritationen gesorgt. Er hatte öffentlich um Fairness im Umgang mit der AfD geworben und sich gegen eine grundsätzliche Ablehnung von AfD-Abgeordneten für den Vorsitz von Parlamentsausschüssen. Es müsse Einzelfallprüfungen geben. Zudem kritisierte Limbach das Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz, der die AfD als »gesichert rechtsextrem« einstufte.

Noch vor dem NRW-Parteitag ruderte er indes zurück und betonte, Mitglieder rechtsextremer Parteien seien nicht als Mandatsträger geeignet. Dennoch sorgten seine Äußerungen auf dem Parteitag für großen Unmut, besonders bei der Grünen Jugend. mit dpa

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