- Kultur
- Deutsches Essen
Der aufhaltsame Tod der teutonischen Identitätswurst
In der Springerpresse wittert man abermals den Untergang des Abendlandes. Grund: artfremdes Essen
Deutschland ist verloren. Der Untergang unserer Heimat ist endgültig besiegelt.
Seit Jahren schon wird unser schönes Vaterland unbemerkt überschwemmt von fremdländischem Essen: Pizza, Spaghetti, Pommes Frites. Ein besonders perfides amerikanisches Ekel-Food, das teils mit grellfarbenem Matsch unbekannter Herkunft (»Ketchup«) verunreinigt ist, hat sich, um uns Deutsche zu hintergehen, sogar einen deutschen Tarnnamen gegeben: der »Hamburger«. Schlimmer noch: Mehr noch als von ausländischen Kohlehydrat- und Fettbomben wird unsere Kultur von »vegetarischem Essen« bedroht – sogenannten Nahrungsmitteln, die früher, als die Welt noch normal war, nur als Tierfutter verwendet wurden.
Der »Fleischlos-Trend schreitet voran«, unaufhaltsam wuchert er durch unsere Küchen und Speisesäle, so hat das Fachblatt für deutsche Ernährung, »Die Welt«, neulich festgestellt.
Unser Volk soll umerzogen werden. Die kulinarischen Leistungen seiner glorreichen Vergangenheit (Grützwurst mit Sauerkraut, Mettigel, Toast Hawaii, Currywurst) soll es vergessen.
Klar ist: Unser Volk soll umerzogen werden. Die kulinarischen Leistungen seiner glorreichen Vergangenheit (Grützwurst mit Sauerkraut, Mettigel, Toast Hawaii, Currywurst) soll es vergessen, sie aus seinem Gedächtnis tilgen. Die Erinnerung an echtes deutsches Essen soll ausgelöscht werden, achtlos weggewischt wie ein Vogelschiss. Doch »mit dem Niedergang der Currywurst verschwindet mehr als nur ein Produkt vom Tablett. Es ist ein Stück Identität, das da weichgekocht wird«, mahnt »Die Welt«.
Während wir hilflos zusehen müssen bei dieser beispiellosen Identitätsvernichtung und erdulden müssen, dass urdeutsche Gerichte wie der Steckrübeneintopf und die Currywurst, mit der sich bekanntlich bereits Arminius im Teutoburger Wald stärkte, bevor er tapfer die Römer in die Flucht schlug, immer rücksichtsloser von den Speisekarten verbannt werden, setzt sich die schleichende Überfremdung unserer Küchen immer weiter fort.
»Die Arbeitnehmer lassen sich kulinarisch gerne aus aller Welt inspirieren«, so zitiert »Die Welt« Jan-Peer Laabs, den Vorstandschef des Großcaterers Apetito, eines der mächtigsten deutschen Kantinenbetreiber. Anders und ohne jede Beschönigung gesagt: Die Deutschen nehmen es mittlerweile arglos hin, dass ihr Traditionsessen mit bizarren Zutaten und artfremden »Gewürzen« ungenießbar gemacht wird, dass sozusagen die Durchrassung der deutschen Kantinen bereits in vollem Gange ist. Ausgerechnet die Currywurst, diese deutsche »Fast-Food-Ikone« – sozusagen die teutonische Identitätswurst schlechthin – »wird von internationalen Leichtgewichten verdrängt. Die Globalisierung hat nun auch die Kantinenteller erreicht« (»Die Welt«). Fragwürdige asiatische Mischgerichte, von denen niemand genau weiß, was sie enthalten und wie sie ausgesprochen werden (»Bami Goreng«), sind ungehindert auf dem Vormarsch, machen sich bedrohlich auf deutschen Speisekarten breit. Daher klagt die »Welt« an: »Die Currywurst steht damit nicht nur im Schatten von Korma und Goreng, sondern zunehmend auch im moralischen Gegenlicht einer neuen Ernährungskultur.« Die deutsche Esskultur stirbt. Die Currywurst ist erst der Anfang.
Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute
Auch Sülze, Saumagen und Blutwurst sind hierzulande längst auf dem Rückzug. »Auffällig« sei neuerdings »der hohe Anteil vegetarischer Gerichte« in Deutschlands Kantinen, so warnt »Die Welt«: »Vier der zehn Topplatzierten sind fleischlos.« In Kitas und Schulen, wo unsere Jüngsten mit einer undefinierbaren Pampe aus abgestorbenen Pflanzenteilen abgefüttert werden und geistig-kulinarisch umgepolt werden sollen, ist es am schlimmsten. »Immer mehr vegetarische Gerichte drängen in die Rankings« und werden sich, wie eine Plage, auch vorerst nicht mehr zurückdrängen lassen. Dort finden sich erschreckenderweise »acht vegetarische Gerichte in den Top 10, allen voran Linsensuppe, Spaghetti mit fleischloser Bolognese und Gemüseravioli«. Klar: Die unschuldigen Kleinen, die sich am wenigsten wehren können, stopft man mit Fake-Fleisch und billigem Grünzeug voll.
Und sobald unsere Jüngsten sich an den Dreck gewöhnt haben, so vermutlich der hinterhältige Plan der sich krakenartig in deutschen Küchen ausbreitenden Vegan-Lobby, sollen Tofuwurst, Körnerfraß und Haferschleim künftig auch die Mägen der erwachsenen Bürger im Handstreich erobern und okkupieren. Doch »nicht alles, was mit Tofu beginnt, führt zur moralischen Erleuchtung«, so ruft die »Welt« in Erinnerung.
Zugegeben: »Die Currywurst war nie Haute Cuisine, aber sie war ehrlich. Sie hat Malocher satt gemacht, Büroarbeiter getröstet und Nachtschichten erträglicher gemacht. Sie war das Essen, das keiner erklären musste« (»Die Welt«). Dem Verfeinerungswahn des Franzmanns ist sie stets entronnen. Um sie zu essen, musste man weder Adorno noch Marx gelesen haben. Sie war keine wurzellose, heimtückische Lügenwurst. Sie war saubere, unverfälschte, nahrhafte Volksnahrung,
Ich bin mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft das Springerblatt »Die Welt« die weichgekochten Wurstfantasien seiner Volontäre weiterhin »Debattenbeiträge« nennen dürfen soll.
Sicher ist jedenfalls: Geht’s nach dem »Welt«-Volontär, wird man die deutsche Currywurst nicht einfach ausrotten können, bloß weil es einer besessenen Globalisten-Clique ungewaschener Wurstfeinde in den Kram passt. »Die Currywurst wird übrigens nicht in die Knie gehen. Sie ist zu zäh. Sie hat überlebt, dass ein Volkswagen-Manager sie 2021 aus der Kantine verbannen wollte« (»Die Welt«). Wie der Deutsche ist auch seine Wurst eine Überlebende: Krieg, Vertreibung und Verbannung hat sie eisern durchgestanden, ist zäh wie Leder. Und wenn man sie auf den Kruppstahlgrill legt, wird sie bissfest.
Wir sind käuflich.
Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.