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Berlin: Ausbildungsbündnis vor Gesellenprüfung

Unternehmer warnen, Gewerkschafter hoffen: Kommt die Ausbildungsplatzumlage?

Eine Auszubildende bei den Berliner Wasserbetrieben
Eine Auszubildende bei den Berliner Wasserbetrieben

Miteinander statt gegeneinander – diesen Ansatz trägt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gerne wie eine Monstranz vor sich her. Alle Akteure sollen an einem Tisch zusammenkommen, statt dass der Senat sein politisches Programm einfach durchdrückt. In einem gewichtigen Fall kommt dieses Prinzip aber nun an seine Grenzen: Das »Berliner Bündnis für Ausbildung«, so wirkte es in den vergangenen Tagen, steht kurz vor seinem Aus.

»Wir haben mittlerweile Zweifel, ob es allen Beteiligten im Bündnis für Ausbildung wirklich darum geht, mehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen«, sagte Sebastian Stietzel, Präsident der Industrie- und Handelskammer am Freitag. Vielmehr, so der Wirtschaftsfunktionär, wirke es so, als ob »nicht vielmehr der ideologisch getriebene Wunsch, auf Biegen und Brechen eine widersinnige Strafabgabe einzuführen, zumindest für Teile des Senats vorrangig ist«.

Harte Worte mit Sprengkraft. Senat, Unternehmen und Gewerkschaften hatten 2023 abgemacht, dass 2000 zusätzliche Ausbildungsverträge bis Ende 2025 abgeschlossen werden sollen. Wird das Ziel nicht erreicht, soll eine Ausbildungsumlage eingeführt werden. Bei einer solchen sollen Unternehmen, die nicht ausbilden, eine Abgabe in einen Topf zahlen, aus dem wiederum ausbildende Unternehmen gefördert werden sollen. Nachdem sich zuletzt abgezeichnet hat, dass es unwahrscheinlich ist, dass die gesetzten Ziele bei den Ausbildungsverträgen noch erreicht werden, kündigte Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) nun an, einen Gesetzesentwurf für die Ausbildungsplatzumlage in ihrem Haus vorbereiten zu lassen. Man arbeitete offenbar zügig, denn inzwischen soll bereits ein Referentenentwurf vorliegen.

Stietzel nennt das ein »Foulspiel« und wirft dem Senat vor, seinen Teil der Absprachen zu verletzen. Schließlich sei noch unklar, ob das Ziel überhaupt erreicht werde. Der Vorwurf mag aufmerksame Beobachter des Prozesses allerdings irritieren: Auf dem Youtube-Kanal der Senatskanzlei ist noch immer die Pressekonferenz zum Auftakt des Bündnisses im August 2023 abrufbar. Ein Journalist fragte die dort versammelten Bündnispartner, ob der Gesetzesentwurf schon vor Ablauf der Frist vorbereitet werden soll, damit er nach deren Ende unmittelbar in Kraft treten könne.

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»Wir haben festgehalten, dass wir parallel, gleichzeitig zur Bündnisarbeit auch an einem Gesetzesentwurf arbeiten werden«, antwortete Kiziltepe auf die Frage. »Sofern das Ziel dieser 2000 Ausbildungsverträge nicht erreicht wird, soll dieser Entwurf dann ins Parlament gehen und die Ausbildungsplatzumlage umgesetzt werden.« Ebenfalls auf dem Podium: IHK-Chef Sebastian Stietzel. Er widersprach der Senatorin nicht.

Auch im Koalitionsvertrag ist dieses Vorgehen festgehalten. Der Vorwurf des Wortbruchs erscheint somit kaum haltbar. Das hindert Stietzel nicht daran, nun zu fordern, dass »die weitere Befassung mit dem Gesetzesentwurf zur Strafabgabe gestoppt werden muss«. Ein Argument hat er dabei durchaus auf seiner Seite: Auch ohne die Ausbildungsplatzumlage ist die Zahl der laufenden Ausbildungsverträge zwischen 2023 und 2024 um etwa 700 gestiegen, wie Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Montag nach einer Sitzung erklärte.

Das sind zwar immer noch weniger als die angestrebten 2000 neuen Verträge, macht aber die Frage auf, ob die Ausbildungsplatzumlage überhaupt notwendig ist. »Die 700 zusätzlichen Ausbildungsverträge sind schon ein Erfolg der Ausbildungsplatzumlage«, glaubt Damiano Valgolio, arbeitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Die Drohung mit dem Instrument habe die Unternehmen bereits unter Druck gesetzt, ihre Anstrengungen zu steigern.

»Die Umlage ist nachweislich das effizienteste Mittel.«

Damiano Valgolio (Linke)
Arbeitspolitischer Sprecher

Nachhaltig sei das aber nicht. »Es gibt keine Garantie, dass das auch dauerhaft wirken wird«, so Valgolio. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass man nur ein »Strohfeuer« sehe, das in kurzer Zeit wieder abflammen könne. Daher müsse die Ausbildungsplatzumlage ohne weitere Verzögerungen sofort eingeführt werden. »Die Umlage ist nachweislich das effizienteste Mittel«, sagt Valgolio. Dass die Umlage überhaupt von Zielzahlen abhängig gemacht wurde, sei ein »fauler Kompromiss« der schwarz-roten Koalition gewesen. »Das diente nur dazu, koalitionsinternen Streit zu vertagen«, so Valgolio.

Der Gesetzesentwurf in der Arbeitsverwaltung – so viel ist bekannt – orientiert sich am im Bundesland Bremen bereits praktizierten Modell: Unternehmen, die nicht ausbilden, sollen demnach einen Teil der Bruttolohnsumme an einen Fonds abführen, aus dem wiederum an ausbildende Betriebe eine Prämie pro Azubi ausgezahlt werden soll. Der bürokratische Aufwand halte sich in Grenzen, glaubt Valgolio. »Das ist ein Klick in der Lohnbuchhaltung«, sagt er. »Selbst die Anmeldung eines Firmenwagens ist komplizierter.«

Geplatzt ist das Bündnis zumindest vorerst nicht. Nach dem Treffen am Montag traten alle Beteiligten gemeinsam vor die Presse. Man wolle sich zunächst weiter auf das Erreichen der Zielzahlen konzentrieren, hieß es dort einhellig. Helfen soll dabei das zuletzt eingeführte elfte Pflichtschuljahr und mehr Berufsorientierung an den Schulen. Ob das reichen wird, um vor Ende der Galgenfrist auf die geforderte Zahl von Ausbildungsverträgen zu kommen, ist zweifelhaft.

Aus dem Streit zwischen Politik und Wirtschaft könnte dann ein Koalitionsstreit werden. Denn auch in der CDU gibt es große Vorbehalte gegen die Ausbildungsplatzumlage. »Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet«, hatte Wegner schon im April erklärt. Es ist keine gewagte Prognose, dass das Thema nach dem absehbaren Scheitern des Ausbildungsbündnisses wohl eine Rolle im Abgeordnetenhauswahlkampf im Jahr 2026 spielen wird.

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