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Pendeln mit Rad und Bahn: Berlin baut Fahrradparkhäuser

Neue Anlage am S-Bahnhof Hermsdorf eröffnet

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) öffnet per App die Tür fürs Fahrradparken am S-Bahnhof Hermsdorf.
Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) öffnet per App die Tür fürs Fahrradparken am S-Bahnhof Hermsdorf.

In Berlin werden jedes Jahr 30 000 Fahrräder gestohlen, weiß die im Bezirk Reinickendorf für den Verkehr zuständige Stadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU). Ihr persönlich ist es zweimal widerfahren. Einmal hatte sie ein Rad an einem U-Bahnhof abgestellt, das andere Mal an einem S-Bahnhof. Insofern ist Schrod-Thiel froh, dass es nun am S-Bahnhof Hermsdorf eine Radabstellanlage gibt.

Damit gebe es »die Gewissheit, dass man das Fahrrad abends noch da findet, wo man es abgestellt hat«, ordnet Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) ein. »Und der Sattel ist trocken«, ergänzt sie mit Blick auf den strömenden Regen, der gerade niedergeht. Davor geschützt wären der Sattel auch in den herkömmlichen Fahrradständern direkt am Eingang zum S-Bahnhof, denn diese Ständer sind überdacht. Doch in einen Metallkäfig einschließen und so vor Dieben besser schützen lassen sich die Drahtesel nun wenige Schritte weiter dort, wo sonst bisher nur Autos parkten.

Die Deutsche Bahn (DB) hat das Gelände zur Verfügung gestellt, denn sie hat ein ureigenes Interesse daran. »Wir freuen uns über jeden, der sein Fahrrad nicht mit in die S-Bahn nimmt, denn dann ist dort mehr Platz«, erklärt der DB-Konzernbevollmächtigte Alexander Kaczmarek. Von seinen Mitarbeitern kennt er den Begriff »Bahnhofsrad«. Das ist ein alter, klappriger Drahtesel, den man getrost am Bahnhof stehen lassen kann, weil er nicht geklaut wird – und wenn doch, so wäre es kein großer Verlust. »In Zukunft kann man auch auf seinem schicken, neuen, vielleicht sogar E-Bike hierherfahren«, sagt Kaczmarek.

Die Abstellanlage ist ein engmaschig vergittertes Häuschen mit mehreren Boxen, in die jeweils zwölf Räder passen. Insgesamt ist Platz für 72 Fahrräder. Erwartet werden nicht nur Nutzer aus Berlin-Hermsdorf, sondern auch aus dem benachbarten Glienicke/Nordbahn. Bis zur Stadtgrenze nach Norden sind es mit dem Fahrrad nur fünf Minuten und bis hinein in die Mitte der brandenburgischen Gemeinde Glienicke/Nordbahn kaum mehr als zehn Minuten. Für Pendler gibt es keine schnellere Möglichkeit, zur Arbeit zu kommen, als mit dem Rad herzufahren und in die S-Bahn umzusteigen. Mit dem Auto wären sie vor allem im Berufsverkehr niemals so schnell im Berliner Zentrum. Dann ist aber auch die aus Oranienburg kommende S-Bahn oft überfüllt.

Der Service kostet so gut wie nichts. Denn das Rad für jeweils bis zu 24 Stunden einschließen ist gratis. Wer von Berlin aus eine Dienst- oder Urlaubsreise antritt und deshalb länger wegbleibt: Für den zweiten und jeden folgenden Tag werden 70 Cent berechnet. Eine Jahreskarte gebe es für 70 Euro, erläutert Michael Fugel. Er ist Geschäftsführer von InfraVelo, einer 2017 gegründeten Tochtergesellschaft der landeseigenen Grün Berlin GmbH.

»Wir freuen uns über jeden, der sein Fahrrad nicht mit in die S-Bahn nimmt, denn dann ist dort mehr Platz.«

Alexander Kaczmarek DB-Konzernbevollmächtigter

InfraVelo plant und betreibt nicht nur solche Radabstellanlagen, sondern entwickelte auch die dazugehörige Software. Entsperrt werden die Türen nämlich an einem neben der Anlage aufgestellten Terminal mittels einer speziellen App fürs Mobilfunktelefon, über die auch die anfallenden Gebühren berechnet werden. Die ParkYourBike-App kann kostenlos heruntergeladen werden und die ersten drei Monate der Nutzung sind ebenfalls kostenfrei.

Wer ein Rad aus der Anlage stehlen wollte, könnte sich die App natürlich auch besorgen und so Zugang verschaffen. Er müsste dazu aber seine Daten hinterlegen und würde es der Polizei wesentlich einfacher machen, ihn zu schnappen, als wenn er auf freier Straße ein Fahrradschloss knackt.

Die Technologie stellte InfraVelo bereits für den Schließmechanismus anders gebauter Radboxen zur Verfügung. Diese sind an mittlerweile fünf Bahnhöfen in Brandenburg zu finden, wie Geschäftsführer Fugel sagt.

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Noch am selben Tag wird eine der Hermsdorfer Anlage im Prinzip baugleiche, allerdings deutlich kleinere Anlage für 24 Fahrräder am Berliner S-Bahnhof Adlershof in Betrieb genommen. Eine dritte dieser Art für 48 Räder soll im laufenden Jahr am S-Bahnhof Lichterfelde eröffnet werden.

Die Baukosten in Hermsdorf beliefen sich auf 350 000 Euro, zu 70 Prozent bezahlt mit Fördermitteln des Bundeswirtschaftsministeriums. Die übrigen 30 Prozent übernahm die Senatsverkehrsverwaltung. Bevor die Fördermittel des Wirtschaftsministeriums organisiert werden konnten, hatte InfraVelo innerhalb von zwei Jahren bereits fünf andere Abstellanlagen in Berlin mit Platz für insgesamt 150 Räder errichtet.

In Hermsdorf dauerte es vier Monate, bis alles fertig war. Die letzten Handgriffe erledigten die Bauarbeiter am Mittwochmorgen bis 8 Uhr. Dann machten sie, unter dem Vordach des S-Bahnhofs vor dem Regen geschützt, erst einmal eine Zigarettenpause und betrachteten zufrieden ihr Werk. Es sei alles so schön geworden, wie es sein sollte, berichten die Männer stolz. Wie es aussehen würde, wenn nicht alles geklappt hätte wie geplant? Die Arbeiter lachen und einer sagt: »Das verraten wir nicht!«

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