Bauarbeiten bei BVG machen Bahn-Netz zum Flickenteppich

Bei U1 bis U4 folgt eine Hiobsbotschaft auf die andere. Arbeiten an den Linien belasten Fahrgäste massiv

Aktuell unerwartet spontan und später im Jahr dann auch geplant: Fahrgäste der U3 sollten sich auf Teilsperrungen der Strecke einstellen.
Aktuell unerwartet spontan und später im Jahr dann auch geplant: Fahrgäste der U3 sollten sich auf Teilsperrungen der Strecke einstellen.

Allein schon wegen planmäßiger Sanierungsarbeiten sind mehrere Abschnitte des Berliner U-Bahn-Netzes teilweise jahrelang gesperrt. Seit Freitag ist die U3 zwischen den Bahnhöfen Spichernstraße und Wittenbergplatz bis auf Weiteres gesperrt. Nahe dem U-Bahnhof Spichernstraße hatte sich Putz von der Tunneldecke gelöst.

Tagelang Ersatzverkehr auf der U3

Auslöser dafür sei laut BVG »ein Arbeitsgerät, das für das Bohren von Leitungen genutzt wird«. Der Berliner Landesbetrieb betont, dass es sich um »Fremdbauarbeiten« handelt. Die Standfestigkeit des Tunnels sei nicht beeinträchtigt. Trotzdem würden »einige Tage« Busse die U3 im betroffenen Abschnitt ersetzen. Zunächst war die U3 sogar zwischen Fehrbelliner Platz und Wittenbergplatz unterbrochen, die Sperrung konnte am späten Freitagnachmittag verkürzt werden.

Baufachleute der BVG seien vor Ort, um den Tunnel zu begutachten. Außerdem werde nun geklärt, »warum diese Bauarbeiten im Umfeld des U-Bahntunnels stattgefunden haben«.

Der nächste Einschlag für die Kummer gewohnten Fahrgäste der sogenannten Kleinprofil-Linien U1 bis U4 steht jedoch bereits in nur etwas mehr als einer Woche an. Über eine halbe Million Fahrgäste täglich nutzt eine der Linien.

Dürftige Fahrgastinformation

Vom 10. bis 29. Juni wird die Strecke der U1 und U3 zwischen Gleisdreieck und Nollendorfplatz gesperrt. Hier müssen Schwellen erneuert werden. Bisher findet sich dazu nur ein dürftiger Hinweis auf der BVG-Unterseite »Herzensprojekte«. Wie lieblos die Fahrgastinformation ist, zeigt schon der falsche Hinweis, dass »der Halt am U-Bahnhof Kurfürstendamm« zu dieser Zeit entfällt.

Tatsächlich handelt es sich um den Bahnhof Kurfürstenstraße und der Halt entfällt nicht nur, sondern der Streckenabschnitt wird komplett außer Betrieb sein. Die U3 wird geteilt in eine Oststrecke von Warschauer Straße bis Gleisdreieck und eine Weststrecke von Nollendorfplatz bis Krumme Lanke. Dazwischen muss die U2 genutzt werden, die ab kommenden Freitag wieder durchgehend fahren soll. Die U1 wird erneut im 15-Minuten-Takt nur zwischen Wittenbergplatz und Uhlandstraße pendeln.

Seit 24. März ist der Abschnitt Gleisdreieck-Wittenbergplatz über Bülowstraße gesperrt und eine Baulinie U12 Warschauer Straße-Ruhleben eingerichtet. Auch hier werden Gleise und Schwellen erneuert.

Lange Sperrung am Nollendorfplatz droht

Doch für U1, U3 und U4 droht noch größeres Ungemach. Möglicherweise im Herbst, aber spätestens im Winter müssen laut Insidern im Bereich Nollendorfplatz umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt werden. Der Zustand des Tunnels sei so schlecht, dass akut gehandelt werden müsse. Dann würde, wahrscheinlich über Monate, wenn nicht länger, das gleiche Betriebsprogramm gelten wie bei der im Juni anstehenden Sperrung. Die U4 könnte während der Bauzeit ganz eingestellt werden.

Informationen von Insidern, dass es akute Standfestigkeitsprobleme am Tunnelteil des U-Bahnhofs Nollendorfplatz gebe, widerspricht die BVG auf Anfrage von »nd« vehement. »Es stimmt, dass im Bereich Nollendorfplatz Sanierungsarbeiten anstehen. Es stimmt nicht, dass es akute Baufälligkeiten gibt«, heißt es vom Landesunternehmen. Aktuell planten die Expert*innen der BVG sowohl die Sanierungsarbeiten als auch deren Auswirkungen auf die Fahrgäste und mögliche Alternativen. Man sei nur sehr knapp einer sofortigen Sperrung entkommen, sagen hingegen Betriebsangehörige.

»Da wird noch einiges an für die Öffentlichkeit überraschenden Sperrungen im U-Bahnnetz in den nächsten Jahren kommen.«

BVG-Beschäftigter

Absehbar kann das auch zu Problemen auf dem Ostabschnitt der U3 von Gleisdreieck zur Warschauer Straße führen. Denn die Strecke ist dann praktisch abgeschnitten von der Betriebswerkstatt am Bahnhof Olympia-Stadion.

Zwar ist die U3 physisch über eine wieder aufgebaute Gleisverbindung am Gleisdreieck mit der U2 verbunden. Allerdings haben die Weichen bisher weder Antriebe noch ist der Gleisbogen in die Stellwerkstechnik integriert.

»Da wird noch einiges an für die Öffentlichkeit überraschenden Sperrungen im U-Bahnnetz in den nächsten Jahren kommen«, sagt ein BVG-Beschäftigter zu »nd«.

Hoffnung für den Waisentunnel

Zuversicht verbreitet die BVG hingegen beim seit Jahren vorbereiteten Ersatzneubau der Spreequerung des Waisentunnels in Mitte. Es handelt sich um die einzige Anbindung der U5 an das restliche Netz der weiteren sogenannten Großprofillinen U6 bis U9.

»Die BVG bereitet sich auf einen Start der Bauarbeiten zur Erneuerung des Waisentunnels Ende 2025 bereits jetzt vor, sodass unmittelbar mit Vorliegen der planrechtlichen Zulassung die Arbeiten beginnen können«, heißt es in einer Pressemitteilung von Freitagnachmittag. Er sei »elementar für das Berliner U-Bahnsystem«, denn er ermögliche »größtmögliche Flexibilität beim Erreichen der verschiedenen U-Bahnwerkstätten und damit Stabilität bei der Wartung der Züge und beim Fahrzeugeinsatz«. 2029 könnte der Tunnel voraussichtlich wieder in Betrieb gehen.

Offene Fragen geklärt

BVG-Chef Henrik Falk erklärt, dass nun im Planfeststellungsverfahren »letzte offene Fragen geklärt« worden seien. Er sei »zuversichtlich, dass wir den Waisentunnel nun zeitnah neu bauen dürfen«. Seit Jahren herrschte in dem Verfahren Stillstand, unter anderem wegen erheblichen Widerstands des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Spree-Havel. Die größte Herausforderung bestehe darin, »den Ersatzneubau zu errichten und an gleicher Stelle den dortigen Schiffsverkehr aufrecht zu erhalten«, heißt es von der BVG.

Seit neun Jahren ist der Waisentunnel wegen seines maroden Zustands gesperrt. U-Bahnwagen können zwischen der U5 und dem Restnetz nur zeitaufwändig per Tieflader transportiert werden. Das beschert Probleme bei der Wartung der Fahrzeuge und verhindert auch, dass bei Bedarf kurzfristig Züge auf die U5 verlegt werden können.

Belastungsprobe Karneval der Kulturen

Besonders bei Großveranstaltungen bekommen Fahrgäste das zu spüren. Zum Beispiel bei der Fußball-EM 2024, als auf der U5 nicht genügend Züge zur Vefrügung standen, um die Massen von der Fanmeile abzutransportieen.

Spannend dürfte es auch am Pfingstsonntag beim Karneval der Kulturen werden. Diesmal startet der Umzug wegen Bauarbeiten in Friedrichshain in der Nähe des S- und U-Bahnhofs Frankfurter Allee und führt zum Alexanderplatz. Doch laut Fahrplaninformation soll die U5 stur nach regulärem Sonntagsfahrplan unterwegs sein. Bis etwa 12.30 Uhr alle zehn Minuten, im Anschluss alle fünf Minuten. Zwar beginnt der Umzug erst gegen 13.30 Uhr, doch die am Umzug teilnehmenden Gruppen werden bereits deutlich früher vor Ort sein. Zudem soll die letzte Gruppe erst gegen 19 Uhr starten – da ist der Fünf-Minuten-Takt bereits seit einer halben Stunde vorbei.

Beim Umzug des Karnevals der Kulturen in Kreuzberg verteilten sich bisher die Teilnehmendenmassen auf drei U-Bahn-Strecken – trotzdem kam es immer wieder zu massiven Überfüllungen, weil die BVG keine Zusatzfahrten anbot. In Friedrichshain und Mitte dürften die meisten Menschen mit der U5 anreisen wollen. Die wichtige Straßenbahnlinie M10 dürfte über viele Stunden zwischen Bersarinplatz und Warschauer Straße eingestellt werden.

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