Schwangerschaftsabbruch: Entkriminalisierung mit Grenzen

Ulrike Henning über eine zwiespältigen Beschluss des Ärztetages

Aktivistinnen haben den Paragraphen schon längst gestrichen. Nach dem Votum des Ärztetags müsste sich nun die Politik dazu durchringen.
Aktivistinnen haben den Paragraphen schon längst gestrichen. Nach dem Votum des Ärztetags müsste sich nun die Politik dazu durchringen.

Auch der Ärztetag hat sich in der vergangenen Woche endlich dazu durchgerungen, eine Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts zu befürworten. Das könnte eine gute Nachricht sein und die Bundesregierung anregen, das Thema nun endlich aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Aber hier wird schon klar: Der Ärztebeschluss setzt niemanden unter Zugzwang. Schon gar nicht eine Regierung, deren führende Kraft in der vergangenen Legislatur eben den erhofften und allgemein befürworteten Schritt verhindert hat – denn die Unionsparteien taten genau das.

Auch die Begeisterung über das Ärztevotum jetzt hält sich in Grenzen. Denn es geht nur um Abbrüche in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten. Und eine Beratungspflicht sowie eine dreitägige Bedenkzeit sollte es auch aus Sicht der Mediziner weiterhin geben. Ein Vorteil der Entkriminalisierung für die Berufsgruppe: Ärztinnen und Ärzte, die den Eingriff vornehmen oder das entsprechende Medikament verschreiben, würden weniger angefeindet.

Gefeiert wird das Votum teils als Kompromiss, den nun auch Konservative mitgehen könnten. Die Ärzte fallen damit aber hinter eigene allgemeine Ansprüche zurück. Denn es ist (eigentlich) ein moderner Standard, informierte Entscheidungen gemeinsam mit Patienten zu fällen. Und Patientinnen. Aber bis zu dem Tag, an dem Frauen allgemein als Expertinnen ihres eigenen Lebens akzeptiert werden und nicht als belehrungsbedürftige und niemals reife Persönlichkeiten, scheint es immer noch ein langes Stück Weg.

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