Prävention mit Hindernissen

Neue Generationen von Nikotinprodukten sprechen vor allem Jüngere an

Auch die Umweltverschmutzung durch Zigarettenkippen ist eine Folge des Konsums. Hier liegen sie immerhin im Aschenbecher.
Auch die Umweltverschmutzung durch Zigarettenkippen ist eine Folge des Konsums. Hier liegen sie immerhin im Aschenbecher.

Pünktlich zum Weltnichtrauchertag an diesem Sonnabend kündigte Frankreichs Gesundheitsministerin Catherine Vautrin ein verschärftes Rauchverbot im öffentlichen Raum an. In Kraft treten soll die landesweite Regelung am 1. Juli, mit einer Einschränkung: Davon nicht betroffen sind E-Zigaretten. Genauer geht es um »Orte, an denen sich Kinder aufhalten«. Und das wären alle Strände, öffentliche Parks sowie die Umgebung von Schulen, Bushaltestellen und Sportanlagen. Da in Frankreich solche Bestimmungen bereits in einigen Gemeinden gelten, zeigt sich die Ministerin optimistisch, dass auch dieses Verbot durchsetzbar sein wird. Bei Verstößen soll die jeweilige Gemeindepolizei eine Strafe von 135 Euro verhängen können.

Ebenfalls in Frankreich verboten sind bereits seit Februar 2025 Einweg-Vapes, in Großbritannien ist ein Verbot ab 1. Juni vorgesehen. Diese Produkte werden auch in Deutschland im Rahmen der EU-Verordnung bis Ende 2026 vom Markt verschwinden. Indessen gibt es sogar einige Länder, in denen E-Zigaretten komplett verboten sind, darunter Argentinien, Brasilien und Singapur. Australien und die Malediven untersagen die Einfuhr dieser Raucherartikel.

Für das Suchtpotenzial ist vor allem der schnelle Anstieg der Nikotinkonzentration in den ersten Minuten nach Beginn des Konsums entscheidend.

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An diesen und vielen anderen Maßnahmen zeigt sich, dass der Markt für Tabak- und Nikotinprodukte seit einigen Jahren im Wandel ist. E-Zigaretten, Tabakerhitzer, Wasserpfeifen (Shishas) und Nikotinbeutel erfreuen sich reger Nachfrage und werden seitens der Hersteller im Vergleich zu klassischen Zigaretten gern als harmloser bis sogar unschädlich vermarktet.

Von Bestand sind allerdings die gesundheitlichen Schäden, die durch Glimmstängel und ihre Nachfolger bewirkt werden. Diese sind für die Nutzung von Tabak, ob als Zigarette, Zigarre oder in der Pfeife, schon seit Jahrzehnten erforscht. Demnach bleibt der Tabakkonsum weltweit die führende vermeidbare Todesursache. Allein in Deutschland sterben nach Schätzungen des Deutschen Krebsforschungszentrums jedes Jahr etwa 127 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Weltweit geht die WHO von mehr als acht Millionen Todesfällen aus.

Nun kommen die neuen Nikotinprodukte noch hinzu. Das ist doppelt problematisch, weil hiermit zum einen verstärkte oder zusätzliche Wirkmechanismen auftreten: So erhöhen E-Zigaretten laut der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie durch ihre hohe Konzentration von Nikotin sowohl den Blutdruck als auch die Herzfrequenz. Über die verwendeten Aerosole gelangen nun auch Propylenglykol und Glycerin in den Körper. Die beiden Feuchthaltemittel stören aber den Gasaustausch in der Lunge und damit auch die Sauerstoffversorgung des Herzens. Zwar gibt es noch keine Daten zu den Langzeitauswirkungen von E-Zigaretten, aber die Kardiologen sind sich einig, dass sie vielleicht weniger schädlich sind als normale Zigaretten, aber durchaus nicht unschädlich.

Das zweite Problem besteht darin, dass E-Zigaretten und andere neue Produkte gerade bei Jugendlichen als Einstiegsdroge fungieren. Eine neue Studie von der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität zeigte jetzt, dass gerade die bei Jüngeren so beliebten Einwegprodukte den Nikotinspiegel schon in der ersten Minute des Konsums am stärksten ansteigen lassen. Die maximale Nikotinkonzentration im Blut wurde nach fünf bis sechs Minuten erreicht, also deutlich schneller als bei klassischen Zigaretten. Hier ist der Spiegel erst nach acht Minuten auf dem Höchstwert. Für das Suchtpotenzial eines Produkts sei vor allem der schnelle Anstieg der Nikotinkonzentration in den ersten Minuten nach Beginn des Konsums entscheidend, so die Forscher.

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Einige europäische Länder konnten mit einer entschlossenen Tabakprävention ihre Raucherquote bereits auf unter 20 Prozent senken, darunter Großbritannien, Irland, die Niederlande, Schweden und Finnland. In Deutschland raucht hingegen immer noch etwa ein Viertel der Erwachsenen. Der erhoffte Abwärtstrend setzte sich hierzulande nicht weiter fort. Seit 2021 geht der Raucheranteil in mehreren Altersgruppen wieder nach oben, besonders bedenklich dabei der Anstieg bei den 14- bis 24-Jährigen.

Insofern war ein Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von Mitte Mai lange überfällig. Das Gremium (mit Vertretern unter anderem von Kassen, Ärzten, Krankenhäusern) hat über die Erstattungsfähigkeit von Therapien zu entscheiden und sprach diese nun endlich auch Arzneimitteln zur Rauchentwöhnung zu. Die Versorgung von Menschen mit einer schweren Tabakabhängigkeit wurde damit verbessert – und an diesem Punkt die Verharmlosung dieser Sucht als ein »Lifestyle-Problem« beendet. Für Betroffene gibt es nun die Möglichkeit, zum Beispiel Nikotinpräparate wie Pflaster oder Kaufgummis auf Kassenrezept zu erhalten – allerdings müssen sie zugleich an einem Aussteigerprogramm teilnehmen.

Jedoch ist das nur ein Aspekt der Tabakprävention. Wichtiger scheint es zu sein, den Zustrom von immer neuen Rauchergenerationen zu verhindern. Dieses Ziel wurde auch im WHO-Tabakrahmenübereinkommen festgehalten. Dieses wichtigste internationale Abkommen zur Tabakbekämpfung verpflichtet die Vertragsparteien zu einer Reihe von Maßnahmen, um den Konsum zu reduzieren.

Für diejenigen, die eigentlich wissen, dass Tabakkonsum schädlich ist, könnte die Aussicht auf eine ganze Reihe positiver Wirkungen eines Rauchstopps die Motivation für einen solchen Schritt erhöhen. Denn schon 20 Minuten nach der letzten Zigarette normalisieren sich Puls und Blutdruck. Nach zwölf Stunden verbessert sich die Sauerstoffversorgung der inneren Organe und schon nach einem Tag sinkt das Risiko eines Herzinfarkts. Über die nächsten Jahre verringern sich dann auch die Risiken für bestimmte Krebsarten. Wer rechtzeitig aufhört, erreicht nach 15 Jahren, dass sein Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung dem eines lebenslangen Nichtrauchers entspricht.

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