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Über Pfingsten wird Erfurt zur Tischtennis-Hauptstadt
Deutsche Meisterschaften für alle: In der thüringischen Landeshauptstadt werden die »TT Finals« mit mehr als 1000 Teilnehmern ausgespielt
Saarbrücken ist derzeit die heimliche Hauptstadt im deutschen Tischtennis. Zwar ist es dem dortigen 1. FC nicht gelungen, ins Mannschaftsfinale der Deutschen Meisterschaft im einzuziehen. Und doch sorgte der Klub, den man in der Hauptsache vom Fußball kennt, jüngst für große Schlagzeilen: Gegen Borussia Düsseldorf, dem großen Rivalen, gelang am vorigen Wochenende der Champions-League-Sieg, zum dritten Mal in Folge. Und mit Ex-Weltmeister und Olympiasieger Fan Zhedong zog man für die nahe Zukunft ein echtes Schwergewicht an Land. Das ist wirklich eine echte Sensation: Der 28-jährige chinesische Star wird in der nächsten Saison für Saarbrücken spielen! Und sich nicht wie gedacht aufs Altenteil zurückziehen.
Die zweite deutsche Hauptstadt aber heißt zumindest über die Pfingstfeiertage Erfurt. Hier ist zwar noch lange kein Tischtennis-Bundesligist ansässig, aber man lässt sich bereits zum zweiten Mal nach 2024 nicht lumpen, um mit den »TT-Finals« das größte Event in diesem Sport auf Vereinsebene zu veranstalten. In der Messe Erfurt sind also Deutsche Meisterschaften im Einzel der Frauen und Männer, der Jugend und Senioren zu bestaunen. Fünf Turniere in drei Hallen, rund 1000 Aktive insgesamt; ein Event, das durchaus an das traditionelle »Tischtennis der Tausende« in Berlin erinnert – nur, dass hier sämtliche Aktive vereinsgebunden sind.
Nun geht der Trend schon länger in Richtung Maximalismus, auch im Tischtennis. Der Weltverband ITTF hat mit »World Table Tennis« einen Ableger gegründet, der wie im Tennis verschiedenformatige Turniere quer über den Globus streut – alles für die Weltrangliste. Sponsorengelder sind da, Zuschauer fehlen mitunter, es sei denn, China ist nicht weit: Dann strömen scharenweise Teenager in die Hallen, um ihre Lieblinge zu bekreischen. Meist aber hört man auf diesen Turnieren aber nichts als das Applaudieren der Trainer vor leeren Rängen.
In Erfurt soll das anders werden. Dafür sorgt die schiere Masse der Antretenden einerseits; die deutsche Starriege andererseits. Und doch sind auch hier erst einmal Verluste zu melden: Der Überstar Timo Boll konzentriert sich auf das Finale bei den Teams Ende Juni in Frankfurt am Main mit Borussia Düsseldorf. Danach beendet er seine Karriere. Dimitrij Ovtcharov, Star Nummer zwei, musste wegen der Bandscheibe schon während der WM in Doha passen, der Spieler von TTC Fulda-Maberzell kuriert derzeit noch eine kurzfristige OP aus. Stichwort Bandscheibe: Auch bei Nina Mittelham, der dreifachen Meisterin vom TTC Eastside Berlin, ist eine Teilnahme fraglich.
Immerhin, die Titelverteidiger treten an. Benedikt Duda aus Bergneustadt wird sich mindestens mit dem Düsseldorfer Dang Qiu und Patrick Franziska aus Saarbrücken um die Krone streiten müssen. Bei den Frauen wird mit Spannung zu verfolgen sein, ob Juniorinnen-Weltmeisterin Annett Kaufmann aus Kolbermoor an ihr erfolgreiches Jahr 2024, in dem sie auch erstmals Deutsche Meisterin wurde, anschließen kann. Härteste Konkurrentinnen sind Sabine Winter aus Dachau, Meisterin von 2022 und 2023 und inzwischen mit Anti-Belag antretend, sowie die wiedererstarkte Düsseldorferin Ying Han, Meisterin von 2018. Auch auf die junge Berlinerin Josephina Neumann wird zu achten sein.
Das viertägige Turnier über das lange Pfingstwochenende beginnt an diesem Freitag mit der U19-Konkurrenz und endet am Montagabend mit den Endspielen. Auch an Rahmenprogramme ist gedacht. Besonders gespannt darf man sein, wie sich der Deutsche Tischtennis Bund (DTTB) – präsentiert. Denn nach dem schwachen Abschneiden der Männer und dem höchstens hoffnungsvollen der Frauen bei den Weltmeisterschaften im Mai wird zu klären sein, wo die Ursachen liegen. Und was man beabsichtigt, dagegen zu tun.
Tischtennis ist auch in Deutschland durchaus als Volkssport zu bezeichnen. Jede und jeder hat schon mal irgendwo einen Ball über einen Tisch geschlagen. Nur finden nicht so viele der fleißig an den Steinplatten und bei Rundlauf-mit-DJ-Events Spielenden in die Vereine. Die Vereinsebene mit ihrer Biederkeit ist aber nur eines der Probleme.
Die Vereine ihrerseits leiden nämlich auch unter den strukturellen Problemen, die ja mittlerweile die gesamte Sportkultur der Bundesrepublik plagen. Es mangelt an funktionstüchtigen Sporthallen auch fürs Tischtennis. Und wo es sie gibt, gehören sie meist zu Schulen. Und die schließen in den Ferien gerne ihre Sporthallen – aus Versicherungs- und anderen bürokratischen Gründen. Und nicht jeder Tischtennisverein kann sich für diese Zeit in Messehallen einmieten.
Natürlich ist auch Öffentlichkeitsarbeit ein Thema. Medial geht da noch so einiges. Die Stars sind längst in den sozialen Medien präsent – und der Weltverband bereitet mehr und mehr Bühnen, die mitunter aber noch ein bisschen zu groß sind. Der DTTB kann in Erfurt zeigen, was er alles so gelernt hat.
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