Hauptstadt für drei Tage

Das kleine Perleberg richtet im September das große Landesfest von Brandenburg aus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Die 5,50 Meter hohe Rolandsfigur im historischen Altstadtzentrum von Perleberg
Die 5,50 Meter hohe Rolandsfigur im historischen Altstadtzentrum von Perleberg

Perleberg zählt nur 12 000 Einwohner. Die Kreisstadt der Prignitz erwartet aber zum Brandenburg-Tag vom 12. bis 14. September 80 000 Besucher. Drei große Parkplätze an den Zufahrtsstraßen werden eingerichtet, ein vierter wird in Reserve gehalten. Damit stehen 10 000 Autostellplätze zur Verfügung. Von Berlin-Gesundbrunnen fährt der Regionalexpress 6 bis Perleberg durch. Dort ist dann die Endstation und man befindet sich am Bahnhof schon mitten im Festgelände.

Seit 1995 wurde der Brandenburg-Tag zunächst jedes Jahr immer in einer anderen Stadt des Bundeslandes einen Tag lang gefeiert. Seit 2004 wird das große Landesfest nur noch alle zwei Jahre veranstaltet, erstreckte sich aber mittlerweile immer auf zwei Tage, einen Samstag und einen Sonntag. In Perleberg geht es nun sogar bereits am Freitagabend los. Der Sender RBB überträgt das live. Drei Tage lang dürfe Perleberg anstelle von Potsdam Landeshauptstadt sein, heißt es.

3000 Mitwirkende, sieben Bühnen, 300 Stände, 120 Stunden Programm – das sind die Rahmendaten. »In der Stadt Perleberg hatten wir vielleicht noch nie eine Veranstaltung mit so vielen Akteuren«, sagt Bürgermeister Axel Schmidt (parteilos). Alles will organisiert sein. Es müssen Gäste untergebracht werden. Die Feuerwehr muss sich in Bereitschaft halten. Der Verkehr ist zu lenken.

Davon kann Torsten Drescher ein Lied singen. Er leitet in der Stadt Finsterwalde, die den Brandenburg-Tag 2023 ausgerichtet hatte, den Fachbereich Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Kultur. Drescher war an den Vorbereitungen maßgeblich beteiligt und sagt: »Der Brandenburg-Tag 2023 hat mich einige Haare gekostet. Das sieht man.« Drescher hat eine Halbglatze und kann wieder lachen. Denn trotz vorheriger Sorgen um die Sicherheit sei alles glattgelaufen, abgesehen von ein paar Menschen, die an Bordsteinkanten stürzten – was bei so einer Großveranstaltung immer vorkommen kann. Das Fest hatte einen messbaren Effekt: Finsterwalde konnte sich bekannter machen. Die Touristinformation der Stadt registrierte nachher größeres Besucherinteresse.

Jens Graf vom Städte- und Gemeindebund erinnert sich: Alle, die er beim Brandenburg-Tag in Finsterwalde gesprochen habe, seien »gestärkt und frohen Mutes« nach Hause gefahren. Das sei auch der Sinn der Sache, den Zusammenhalt der Brandenburger zu stärken.

Ob allerdings tief aus dem Südosten der Niederlausitz im September Gäste bis ins nordwestliche Ende Brandenburgs fahren, ist die Frage. Dies wissend will Perleberg auch in den an die Prignitz angrenzenden Bundesländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen Werbung für den Brandenburg-Tag machen, insbesondere in Salzwedel und Stendal.

Von Schwerin aus ist man übrigens schneller in Perleberg als aus Potsdam. Das hält Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) aber nicht ab, sich aus Potsdam auf den Weg zu machen. Die Ostrockband Karat wird spielen. Das allein würde dem Minister schon ausreichen als Grund für seine Anreise. Außerdem haben sich Befürchtungen, Perleberg liege zu weit ab, bis jetzt nicht bestätigt. Bürgermeister Schmidt berichtet, dass der Bereich, in dem sich Sozialverbände und Kirchen präsentieren wollen, schon über das ursprünglich geplante Maß hinaus erweitert werden musste. So viele Anmeldungen habe es gegeben.

»In der Stadt Perleberg hatten wir vielleicht noch nie eine Veranstaltung mit so vielen Akteuren.«

Axel Schmidt Bürgermeister

Am Donnerstag übergibt in der Potsdamer Staatskanzlei im Namen von Finsterwalde Fachbereichsleiter Drescher den Staffelstab an Perlebergs Bürgermeister Schmidt. Auf dem Holzstab sind Metallplättchen angebracht und in sie sind die Namen der Städte eingraviert, in denen das Landesfest bisher gefeiert wurde, und dazu die jeweiligen Jahre. Mit Hoppegarten war einmal auch eine Gemeinde dabei, die aber gut 6000 Einwohner mehr zählt als Perleberg. Der bisher kleinste Ausrichter ist Perleberg allerdings nicht. Denn 2001 wurde der Brandenburg-Tag in Luckau gefeiert und diese Kleinstadt hatte damals noch 1000 Einwohner weniger als Perleberg jetzt. 1990 wohnten in Perleberg 14 000 Menschen. Die Kommune erlebte nach der Wende nicht so einen dramatischen Aderlass wie das 15 Kilometer entfernt an der Elbe gelegene Wittenberge. Dort brachen mehrere Industriebetriebe wie das Nähmaschinenwerk zusammen. Einstige Beschäftigte und die Jugend gingen notgedrungen in den Westen. Die Bevölkerungszahl halbierte sich beinahe, stieg zuletzt immerhin wieder von 15 000 auf 17 000.

Vor sieben Jahren richtete Wittenberge den Brandenburg-Tag aus. Jetzt ist Perleberg dran. Dessen Einwohnerzahl schwanke nur gering, sagt Bürgermeister Schmidt. Es brauche gerade wieder neues Bauland für Eigenheime. Andererseits werde gegenwärtig ein in der DDR errichteter Plattenbau mit 70 Wohnungen abgerissen. Dieser Block hätte sonst teuer grundsaniert werden müssen. Doch Perleberg versuche lieber, seine historische Altstadt zu bewahren. Die Wohnungen dort seien auch sehr beliebt. 90 Prozent des Altbaubestandes in der Innenstadt seien mittlerweile modernisiert. Ungefähr eine Ruine pro Straße gebe es aber noch. Zurzeit sei die Sanierung von fünf alten Fachwerkhäusern im Gange.

Ein Prunkstück ist die aus Sandstein gehauene Rolandsfigur. Im Mittelalter zeigten solche Figuren an, dass eine Stadt über das Marktrecht und eine eigene Gerichtsbarkeit verfügte. Rolande sind Ausdruck von Stolz und Unabhängigkeit. Der Roland in Perleberg steht nicht mit dem Rücken zum Rathaus, sondern die Figur blickt dorthin. »Damit er mich kontrolliert. Das ist eine Besonderheit«, sagt Bürgermeister Schmidt. Rund um die Figur soll es beim Brandenburg-Tag einen Mittelaltermarkt geben.

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