Thüringen: Willige Helfer der AfD im Kreisausschuss

CDU- und andere Lokalpolitiker unterstützen Streichung von Geldern für Demokratieprojekt in Kahla

  • Kai Budler
  • Lesedauer: 4 Min.
In Kahla Anlaufpunkt für alle, die sich austauschen, engagieren, informieren wollen, Kontakte zu anderen politisch und kulturell Interessierten suchen: der »Demokratieladen«
In Kahla Anlaufpunkt für alle, die sich austauschen, engagieren, informieren wollen, Kontakte zu anderen politisch und kulturell Interessierten suchen: der »Demokratieladen«

Die Entscheidung über Zuschüsse in kommunalen Gremien ist in den meisten Fällen nicht besonders spannend. Im Kreisausschuss des Saale-Holzland-Kreises im östlichen Thüringen ging es Ende Mai beispielsweise um Gelder für Baumaßnahmen für die Entwicklung der Wasserwanderinfrastruktur und den Abriss eines alten Internatsgebäudes. Doch zu einem Antrag für die Förderung des Projekts »Demokratieladen Kahla« im laufenden Jahr gab es plötzlich viel Diskussionsbedarf.

Mit seinem Programm »Denk bunt« fördert der Freistaat Thüringen Demokratieprojekte zu 90 Prozent mit Landesmitteln. Zehn Prozent benötigt der Träger aber als Eigenmittel. Im Fall des Demokratieladens in Kahla, den es seit 2013 gibt, sind das für 2025 knapp 8000 Euro, die der Trägerverein »Bildungswerk Blitz« beim Kreis beantragt hatte. Die Landesmittel für das laufende Jahr sind bereits bewilligt. Es ist der Antrag mit dem kleinsten Finanzvolumen, den Landrat Johann Waschnewski (CDU) Ende Mai in den Ausschuss einbrachte.

Doch nicht bei allen im Kreis stößt die Arbeit des Zentrums für Kultur, Geschichte, Politik und vieles mehr auf Zustimmung. Wiederholt wurde es von Neonazis attackiert. Und auch gegenüber kommunalen Gremien mussten sich die Betreiber in der Vergangenheit immer wieder erklären. So wie jetzt. Besonders die AfD zweifelt eine »politische Neutralität« an und kritisiert den Demokratieladen als »ausschließlich ideologisch ausgerichtetes Projekt«.

»Es ist verantwortungslos und gefährlich, wenn die CDU die Arbeit des Demokratieladens aus parteitaktischem Kalkül oder Feigheit nicht aktiv unterstützt.«

Katharina König-Preuss Landtagsabgeordnete (Linke)

Am Ende der Sitzung votierten die drei AfD-Mitglieder im Ausschuss und der Fraktionsvorsitzende der Bürgerinitiative Holzland gegen den Antrag. Die CDU-Mitglieder und der Vertreter des Bauernverbandes überraschten mit Enthaltungen, sodass der Antrag gegen die Stimmen der Linke-/Grünen-Fraktion und der SPD abgelehnt wurde.

Auf scharfe Kritik stößt diese Entscheidung bei Katharina König-Preuss. Die Linke-Landtagsabgeordnete bezeichnet es als »politisch verantwortungslos und gefährlich«, dass die CDU die Arbeit des Projekts »aus parteitaktischem Kalkül oder Feigheit nicht aktiv unterstützt«. Dies gelte besonders in einer Region, »in der rechte Strukturen besonders aktiv sind«.

Das »Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft« (IDZ) hat dem Demokratieladen erst kürzlich in einer Studie eine positive Bilanz als demokratiefördernde Institution bescheinigt. Nach einer Phase starker Anfeindungen habe sich das Projekt »als Ort und Treffpunkt zivilgesellschaftlicher Aktivitäten etablieren« können. Extrem rechte Aktivitäten hingegen hätten in der Kleinstadt etwas nachgelassen.

Die Vorgänge im Kreisausschuss stehen exemplarisch für die AfD-Strategie, Demokratieprojekte mundtot zu machen. So hatte auch der AfD-Politiker Robert Sesselmann nach seiner Wahl zum Landrat des Kreises Sonneberg im Juni 2023 angekündigt, die Eigenmittel für das Bundesprogramm »Demokratie leben« zu streichen.

Im aktuellen Fall feiert die AfD-Landtagsabgeordnete Wiebke Muhsal die Entscheidung als Erfolg ihrer Partei. Es sei verhindert worden, Jugendlichen »unter dem Deckmantel Bildung und Gemeinwesenarbeit einen linken Floh ins Ohr zu setzen«. Das sei gute Zusammenarbeit zwischen Kreis und Land, denn auch im Erfurter Parlament setze sich die AfD dafür ein, dass beispielsweise das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gestrichen werde. Tatsächlich hatte die AfD-Landtagsfraktion dies bereits in der Debatte um den Haushalt 2024 beantragt.

Im Saale-Holzland-Kreis ist das letzte Wort indes noch nicht gesprochen. Kurz nach der Ablehnung des Antrags kündigte das Team des Demokratieladens an, seine Arbeit fortzusetzen. Mit einer Crowdfunding-Aktion wurde in nur vier Tagen der benötigte Eigenanteil für das laufende Jahr aufgebracht. Um das Projekt langfristig zu sichern und verlässliche Strukturen zu schaffen, brauche es aber die Unterstützung von Kreis- und Landtag. Ob besonders die CDU-Lokalpolitiker*innen dazu bereit sind, müssen sie bei den Beratungen über den nächsten Finanzierungsantrag im kommenden Jahr beweisen.

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