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Digitale Rekonstruktion im Fall Lorenz A.
Oldenburger Polizei vermisst Tatort mit Drohne und in 3D
Fast zwei Monate nach dem tödlichen Schusswaffeneinsatz eines Polizeibeamten in der Oldenburger Innenstadt wird der Tatort nun auf Anordnung der Staatsanwaltschaft millimetergenau rekonstruiert. Am Sonntag haben Ermittler*innen der Polizeidirektion Niedersachsen, des Landeskriminalamts und der zuständigen Polizeiinspektion mit einem 3D-Laserscanner und Drohnentechnik eine digitale Vermessung der Achternstraße vorgenommen. Ziel ist die Erstellung eines technischen Gutachtens, das aufzeigen soll, wie der 27-jährige Schütze und sein 21-jähriges Opfer Lorenz A. in der Nacht zum 20. April positioniert waren – und unter welchen Umständen es zur Schussabgabe kam.
Der Schwarze Lorenz A. war in der Nacht zu Ostersonntag nach einer Auseinandersetzung vor einem Club von der Polizei durch die Innenstadt gejagt und schließlich mit vier Schüssen von hinten in Oberkörper, Hüfte und Kopf getötet worden. Gegenüber dem polizeilichen Notruf hatten Hinweisgebende von einem mitgeführten Messer gesprochen. Die Beamt*innen erhielten daraufhin von der Leitstelle eine Eigensicherungswarnung. Zu den in einem solchen Fall getroffenen Maßnahmen gehören der Abstand zu den Personen oder das Anlegen von Schutzkleidung – oder auch das Ziehen einer Schusswaffe.
Laut dem niedersächsischem Gefahrenabwehrgesetz gilt der Schusswaffengebrauch als »letztes Mittel«, führt die Oldenburger »Kreiszeitung« aus. Vor dem Schuss muss aber eine Androhung erfolgen – sei es »in geeigneter Weise« mündlich, wie es das niedersächsische Innenministerium erklärt, oder durch einen Warnschuss. Ob dieses Verfahren in der Osternacht eingehalten wurde, ist nun Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Denn womöglich wurde Lorenz A., der vorher auch Pfefferspray versprüht haben soll, lediglich zum Stehenbleiben aufgefordert.
Ob und wie der junge Mann auf die Rufe der Polizei reagierte und ob er dabei das später in seiner Tasche gefundene Messer in der Hand hielt, ist bislang nicht geklärt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde kein Warnschuss abgegeben. Zwar sollen die Beamten den 21-Jährigen unter Vorhalt der Schusswaffe lautstark aufgefordert haben, stehen zu bleiben – doch bleibt die Frage offen, ob Lorenz A. die Lage in diesem Moment tatsächlich einschätzen konnte.
Dabei könnte nun die Technik helfen. Die 3D-Modellierung ermöglicht eine maßstabsgetreue virtuelle Rekonstruktion der Örtlichkeit. Grundlage dafür sind unter anderem aus der Tatnacht vorhandene Video- und Audioaufzeichnungen aus der Umgebung, die laut Polizei das Geschehen allerdings nur schemenhaft wiedergeben.
Für die digitale Rekonstruktion des Tatortes wurden Blumen und Gegenstände, die dort unter anderem von Trauernden zum Gedenken an den Getöteten abgelegt worden waren, von der Stadt entfernt. Dies sei »mit größtmöglicher Sensibilität« und in Absprache mit der Familie erfolgt, berichtet die Polizeidirektion Oldenburg.
Gegen den polizeilichen Todesschützen wird wegen Totschlags ermittelt – das ist das übliche Verfahren in solchen Fällen. Offenbar wurde der Beamte aber nicht suspendiert. Er sei derzeit nicht dienstfähig und werde psychologisch betreut, erklärte Landespolizeipräsident Axel Brockmann im Innenausschuss des niedersächsischen Landtags.
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