Landraub über Grenzen

Die zehn größten Investoren besitzen inzwischen eine Fläche so groß wie Japan

Blues Carbon kauft in großem Stil Waldgebiete wie hier in Simbabwe auf.
Blues Carbon kauft in großem Stil Waldgebiete wie hier in Simbabwe auf.

Der transnationale Landbesitz nimmt laut einer Studie massiv zu und bedroht Ernährung und Menschenrechte weltweit. Zu diesem Ergebnis kommt ein kürzlich erschienener Bericht der Menschenrechtsorganisation Fian und des Bangkoker Thinktanks Focus on the Global South. Demnach kontrollieren die zehn größten privaten Landbesitzer weltweit zusammen über 400 000 Quadratkilometer Land – eine Fläche so groß wie Japan.

»Internationale Investoren und superreiche Unternehmen kaufen weltweit riesige Landflächen auf und befeuern damit die zunehmende soziale Ungleichheit«, erklärt Roman Herre, Agrarreferent bei Fian Deutschland. Seit dem Jahr 2000 haben sich Unternehmen und Finanzakteure mehr als 650 000 Quadratkilometer Land angeeignet – das entspricht dem Doppelten der Fläche Deutschlands. Mehr als 70 Prozent der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche befinden sich heute in den Händen von nur einem Prozent aller Agrarbetriebe. »Diese extreme Landkonzentration ist Ausdruck eines globalen Trends: Vermögen wird von der arbeitenden Bevölkerung hin zu Eliten verlagert«, so Herre weiter.

Zu den größten Landlords gehören die australische Investmentgesellschaft Macquarie, der Plantagenbetreiber Olam aus Singapur, der Forstriese Arauco (Chile), der US-Lehrer-Pensionsfonds TIAA, der insbesondere in der artenreichen brasilianischen Cerrado-Feuchtsavanne seinen Landbesitz zwischen 2012 und 2023 auf 1,2 Millionen Hektar fast vervierfacht hat, und der Ölmulti Shell, der Ländereien für die Ethanolproduktion benötigt. Mit großem Abstand Spitzenreiter ist indes ein Unternehmen aus Dubai: Blue Carbon hat Waldgebiete im Umfang von mindestens 24,5 Millionen Hektar in Sambia, Simbabwe, Tansania sowie weiteren Ländern in Afrika und der Karibik erworben, um dort Kompensationsprojekte für CO2-Emissionen zu betreiben. Inhaber ist Sheikh Ahmed Dalmook Al Maktoum, ein Mitglied der Herrscherfamilie von Dubai, deren Reichtum auf klimaschädlichen Öl- und Gasprojekten beruht. Der Landhunger von Blue Carbon steht schon länger in der Kritik: »Die Geschäfte stellen nicht nur ein ernsthaftes Risiko für das Leben und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen in diesen Gebieten dar, sondern untergraben auch die Fähigkeit dieser Länder, ihre eigenen Klimaverpflichtungen zu erfüllen«, kritisiert etwa die Rainforest Foundation UK.

Insbesondere seit der Finanzkrise 2008 gehören Ländereien zu den bevorzugten Anlageobjekten großer Investorengruppen. Die Rendite ist seither konstant lukrativ geblieben, schreiben die Autoren der von der Finanzwissenschaftlerin Luciana Rolón (Universidad Nacional de San Martin, Argentinien) geleiteten Studie mit dem Titel »Lords of the Land«. Trotz anhaltender Kritik gehe das Land Grabbing weiter, das die Preise für Agrarland treibe.

Die Folgen sind demnach dramatisch: Die zunehmende Landkonzentration gefährdet die Ernährungssicherheit und bedroht die Existenz von rund 2,5 Milliarden Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie von 1,4 Milliarden der ärmsten Menschen weltweit, die direkt von der Landwirtschaft leben. Landaneignung geht zudem oft mit Gewalt, Zwangsvertreibungen und Umweltzerstörung durch Entwaldung, Bodenverschlechterung und Wasserverschmutzung einher. Nahezu alle der größten Landbesitzer sind in Landkonflikte, Vertreibungen und Umweltvergehen involviert. Dies geht zulasten von Kleinbauern und Indigenen, die etwa die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittel auf nur rund 35 Prozent der Ackerflächen erwirtschaften. In der kleinbäuerlichen Lebensmittelproduktion ist zudem die biologische Vielfalt wesentlich größer als in der industriellen Landwirtschaft.

Die Autoren der 63-seitigen Studie fordern eine Umverteilung von Land sowie internationale Steuerreformen, um der Entwicklung entgegenzuwirken. Die UN-Konferenz über Agrarreform und ländliche Entwicklung Anfang kommenden Jahres in Kolumbien bietet eine wichtige Chance, wie Herre meint: »Die Regierungen müssen sich dort auf konkrete Schritte einigen, um Landkonzentration zu stoppen, Land gerechter zu verteilen und die Rechte ländlicher Bevölkerungsgruppen zu stärken.«

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