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Tempo 30 in Berlin: Pedal runter im Rückwärtsgang
An 25 Hauptstraßen könnte bald wieder Tempo 50 gelten
Erfreuliche Nachrichten mit unerfreulichen Konsequenzen: Weil an Dutzenden Hauptstraßen die Stickstoffdioxidbelastung gesunken ist, könnte dort nun Tempo 30 aufgehoben werden. Das erklärte Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) im Anschluss an die Sitzung des Senats am Dienstag. Die Luftreinheitsprüfung der 41 Hauptstraßen, auf denen Tempo 30 gilt, habe ergeben, dass bei sieben Straßen das Tempolimit beibehalten werden müsse. Bei neun der 34 verbleibenden Hauptstraßen »spielen Sicherheitserwägungen eine so immanente Rolle, dass Tempo 30 angeordnet bleiben muss«, so Bonde.
Auch bei den 25 verbleibenden Hauptstraßen ist noch nicht sicher, dass auf ihnen am Ende Tempo 50 herrschen wird. Zunächst soll geprüft werden, ob es sich bei ihnen um sogenannte hochfrequentierte Schulwege handelt, auf denen Tempo 30 gilt. Die Prüfung gestaltet sich allerdings kompliziert. »Es bedarf einer besonderen Prüfung, weil der Tatbestand nicht an einem Tag oder in einer Situation überprüft werden kann«, sagte Bonde. In Absprache mit Schulen im Umfeld der Hauptstraßen sollen Verkehrswege der Schüler ermittelt werden. Jeweils zu Schulbeginn und -schluss sollen dann Messungen erfolgen.
Zumindest temporär könnte Tempo 30 noch auf weiteren Straßen neu angeordnet werden. Der Grund: Lärmschutz. Ab einer nächtlichen Lärmbelastung von 60 Dezibel und mehr schreibt europäisches Recht vor, den Verkehr zu beruhigen. Messungen hätten ergeben, dass dies für 230 Kilometer Berliner Straßen gelte, sagte Bonde. Hier soll nun künftig in der Zeit von 22 bis sechs Uhr Tempo 30 gelten. Ob es Überschneidungen zwischen den Straßen gebe, bei denen Tempo 30 aus Lärmschutzgründen angeordnet wird, und jenen, bei denen eine Einstufung als Schulweg geprüft wird, konnte Bonde nicht beantworten.
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Endgültig beschlossen werden sollen die Temporegeln im August. Für die Schulweg-Prüfung könnte das knapp werden. »Ich kann nicht sagen, wann die Prüfung abgeschlossen sein wird«, sagte Bonde. Der Ausdruck »hochfrequentierte Schulwege« sei mit der jüngsten Novellierung der Straßenverkehrsordnung im vergangenen September eingeführt worden. »Es gibt keine Erfahrungen, was genau ein hochfrequentierter Schulweg ist«, sagte Bonde.
Über die 230 Kilometer Straße, auf denen künftig nächtlich aus Lärmschutzgründen Tempo 30 herrschen wird, könne der Senat aber schon vor Abschluss der Prüfung einen Beschluss fassen, sagte Bonde. Bis zum Ende der Prüfung würde auf den betroffenen Straßen zudem zunächst weiter Tempo 30 gelten. »Der Luftreinhalteplan muss erst fortgeschrieben werden, bevor Tempo 50 wieder eingeführt werden kann«, sagte Bonde – bis zum Beschluss im August bleibt also erst mal alles beim Alten.
Bei der Opposition sorgen die Pläne für Protest. Weltweit setzten viele Städte auf Verkehrsberuhigung, kommentieren die Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß und Antje Kapek. »Nur in Berlin blockiert die CDU jeden Fortschritt und hält stur an ihrer Auspuffpolitik von gestern fest.« Das sei verantwortungslos. Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus bietet daher nun eine E-Mailvorlage an, mit der Eltern Tempo-30-Zonen vor den Schulen ihrer Kinder beantragen können.
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