Fifa-Fußball und Trump-Politik: Umkämpftes Los Angeles

Wie sich Einwanderungspolitik des US-Präsidenten im Fußball bemerkbar macht

  • Ronny Blaschke
  • Lesedauer: 6 Min.
Im BMO-Stadium protestierten sowohl Fans des Frauenteams Angel City als auch die Anhänger des Los Angeles FC gegen Trumps Politik.
Im BMO-Stadium protestierten sowohl Fans des Frauenteams Angel City als auch die Anhänger des Los Angeles FC gegen Trumps Politik.

Die Ultras des Los Angeles FC gelten in den USA als kreativ, laut und leidenschaftlich. Vor einer Woche verfolgten sie das Heimspiel ihrer Fußballer gegen Kansas City jedoch ohne Gesänge, Trommeln und Pyrotechnik. Sie schwiegen so hartnäckig, dass man im Stadion vereinzelte Huster hören konnte. Stattdessen wandten sich die Fans mit Bannern gegen das U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE), die Einwanderungs- und Zollbehörde der USA. »ICE abschaffen« stand auf einem Plakat geschrieben. Ein anderer Slogan: »Wenn Ungerechtigkeit zum Gesetz wird, wird Widerstand zur Pflicht.«

Die Geschäftsführung des LAFC, des wohl beliebtesten Fußballklubs an der Westküste, meldete sich mit einem Statement ebenfalls zu Wort. »Heute, da viele Angst und Unsicherheit in unserer Stadt empfinden, steht der LAFC Schulter an Schulter mit allen Mitgliedern unserer Gemeinde.«

Konsequenzen für die neue Klub-WM

Beides waren Reaktionen auf die verschärfte Einwanderungspolitik der US-Regierung. Denn auch in Los Angeles führte ICE Razzien durch und nahm Migranten in Gewahrsam. Es folgten friedliche Proteste. Dennoch schickte Präsident Donald Trump 2000 Soldaten der Nationalgarde in die Stadt – gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Die politische Atmosphäre dürfte weiterhin aufgeladen bleiben – und das hätte auch Konsequenzen für den Fußball. In den kommenden Wochen ist die neue Klub-WM auch in Pasadena zu Gast, einer Vorstadt von Los Angeles.

Die Einwanderungsbehörde kündigte die Anwesenheit von Mitarbeitenden bei dem Turnier an, mit dem Hinweis, dass »alle Nicht-US-Bürger einen Nachweis ihres rechtlichen Status mit sich führen müssen«. Schritte wie diese wurden auch von Spielern des LAFC kommentiert. »Es ist wichtig, dass wir uns nicht in unsere Ecken zurückziehen und Angst haben«, sagte etwa Stürmer Jeremy Ebobisse.

Stadion als Ort der Vielfalt

Rund die Hälfte der Einwohner von Los Angeles hat Wurzeln in Mexiko oder anderen hispanischen Ländern. Überdurchschnittlich viele von ihnen leben in Downtown, wo sich die Proteste entluden. Der LAFC, der am Montagabend bei der Klub-WM sein erstes Spiel in Atlanta gegen Chelsea London mit 0:2 verlor, ist in LA im BMO-Stadion zu Hause, wenige Autominuten von Downtown entfernt. Wenn es also einen Ort gibt, an dem die Vielfalt der Latinos sichtbar und hörbar wird, dann ist es das Stadion des Los Angeles FC. Händler bieten dort auch Fahnen und Schals in den mexikanischen Farben an. Und die Ultras des LAFC rufen »Viva Los Angeles« und »Vamos« – »Auf geht’s«.

»Seit Jahrzehnten kommen mexikanische Einwanderer in die USA, weil sie sich bessere Arbeitsbedingungen erhoffen«, sagt Mike Woitalla, Chefredakteur des Online-Mediums Soccer America. »Sie fühlen sich aber weiter mit ihrer Heimat verbunden. Im Fußball können sie diese Emotionen ausleben.« Das gilt für die Major League Soccer MLS, die höchste US-Fußballliga, und im Besonderen auch für Länderspiele. Der mexikanische Fußballverband mietet für Freundschaftsspiele seiner Nationalmannschaft immer wieder Stadien in den USA, wo viele Latinos leben.

Viele Gemeinsamkeiten

Im Fußball bilden die USA und Mexiko längst einen gemeinsamen Markt. Klubs aus beiden Ländern treffen sich im Sommer für Testturniere. Die Liga, die in den USA die höchsten Einschaltquoten erzielt, ist nicht die MLS oder die englische Premier League, sondern die mexikanische Profiliga MX. Der mexikanische Fußballverband erzielt ein Drittel seiner jährlichen Einnahmen in den USA: durch Übertragungsrechte, Sponsoren oder Ticketverkäufe. In diesem Umfeld betrachtete man die nächste Fußball-Weltmeisterscahft, die 2026 in den USA, Mexiko und Kanada ausgetragen wird, als Entwicklungsstufe eines lukrativen Geschäfts.

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In der Ära Trump könnte dieses mühsam geknüpfte Netzwerk jedoch an Grenzen stoßen. Ein Beispiel: Am Sonnabend wurde im Sofi-Stadion von Los Angeles der Gold Cup eröffnet, eines der wichtigsten Nationenturniere in Nord- und Mittelamerika. Das mexikanische Nationalteam gewann gegen die Dominikanische Republik 3:2. Bei den vergangenen drei Spielen in diesem Stadion verzeichnete die mexikanische Auswahl einen Schnitt von 64 000 Zuschauern. Dieses Mal kamen 54 000. In Zeiten von Razzien und Protesten ließen viele Fans mexikanischer Herkunft ihre Tickets verfallen. Offenbar haben auch viele Einwanderer ohne Aufenthaltsstatus Sorge, in einem gut bewachten Umfeld festgenommen zu werden. Vor dem Stadion demonstrierten Gruppen gegen die Einwanderungsbehörde.

Von offizieller Seite, Verbänden oder führenden Nationalspielern aus den USA oder Mexiko, ist keine deutliche Kritik an Trump zu hören. Das war 2016 nach seiner ersten Wahl zum Präsidenten noch anders. Damals stellten sich beide Mannschaften vor ihrem WM-Qualifikationsspiel in Columbus zu einem gemeinsamen Foto auf. Wird es bei der Klub-WM oder im kommenden Jahr bei der WM ähnliche Bilder geben?

Kampf um die Gunst der Latinos in LA

Der Einfluss der Latinos im US-Fußball ist über Jahrzehnte stetig gewachsen. Die Einwanderungsgesetze 1965 unter Präsident Lyndon B. Johnson hatten die Migration aus dem Süden erleichtert. Hunderttausende Mexikaner kamen in die Staaten, sie brachten ihre Religion und ihre Hobbys mit, auch den Fußball. »Die Migranten mussten hart arbeiten und erlebten früh Rassismus«, sagt der US-mexikanische Soziologe José Alamillo. »Beim Sport konnten sie Kontakte knüpfen und über ihre heimischen Traditionen sprechen.«

In der Major League Soccer, die im Jahr 1996 eingeführt wurde, bemühen sich die Klubs aus Los Angeles – LA Galaxy und der LAFC – auch um die Gunst der Latinos. Und das gilt ebenso für den dritten und jüngsten Profiverein in Los Angeles, für Angel City, seit 2022 Mitglied der National Women’s Soccer League. »Wenn man Vertrauen in den Communitys aufbauen will, dann muss man vor Ort sein«, sagt Nicole Moreno, die bei Angel City das Outreach-Programm aufgebaut hat, also Maßnahmen, um das Interesse im ganzen Stadtgebiet zu wecken. »Es reicht nicht, nur anzurufen oder Rundmails zu versenden.«

Angel City lädt etwa mexikanische Influencer zu den Heimspielen seiner Fußballerinnen ein und organisiert Veranstaltungen im Osten von LA, wo viele Latinos leben. Zudem bestreitet der Verein Testspiele gegen das mexikanische Nationalteam, die »Copa Angelina«. Auch dies ist ein soziales Netzwerk, das in Zeiten des US-Präsidenten Trump wohl besonders gefordert ist. Am Sonnabend spielte Angel City gegen North Carolina Courage. Die Spielerinnen zeigten sich in besonderen T-Shirts. Darauf die Botschaft: »Immigrant City Football Club«.

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