Dümmer als die Goldfische

Alle paar Jahre bekommen wir dieselben Begründungen für Kriege zu hören. Was hilft gegen den kollektiven Gedächtnisverlust?

Produktwerbung auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg - was lässt sich mit Krieg schön Geld verdienen! Und das auf allen beteiligten Seiten.
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Von Goldfischen hieß es lange, sie hätten keine Erinnerung. Mittlerweile weiß man, dass das nicht stimmt. Monatelang können sich die Aquariumsbewohner Wege und Situationen merken. Anders scheint es hingegen mit der westlichen Öffentlichkeit zu sein. Seit Jahrzehnten wird jeder Krieg mit denselben Argumenten begründet und für alternativlos befunden. Als Afghanistan 2001 von den Taliban befreit werden sollte – denselben Mudschaheddin, die die Nato in den 1980er Jahren aufgebaut hatte –, wurden viele, viele Waffen geschickt. Diese befinden sich heute wieder in den Händen der Taliban.

2003 folgte der Irak: Zwar stellte sich heraus, dass die Biowaffenanlage, mit denen der US-Präsident Bush und sein Freund, der britische Sozialdemokrat Tony Blair, den Krieg gerechtfertigt hatten, gar nicht existierten. Aber immerhin stürzte man den Despoten Saddam Hussein. Dieser wurde kurze Zeit später von einem grauenhaften »Islamischen Kalifat« ersetzt – nun gut, man kann nicht alles vorhersehen.

4 Billionen Dollar haben die Kriege in Afghanistan und dem Irak/Syrien den USA gekostet. Aus dem Fenster geworfenes Geld? Kommt auf die Perspektive an.

Ein weiteres Jahrzehnt später war es Libyens Langzeitdiktator Muammar Al-Gaddafi, der aus Menschenrechtsgründen beseitigt werden musste. Sie wollen einwerfen, dass auch dort heute Terrormilizen herrschen, die Zehntausende Menschen versklavt haben? Gewiss, doch für diese Debatte ist jetzt keine Zeit, gilt es doch, die iranische Atombombe zu verhindern. Immerhin spricht Israels Regierungschef Netanjahu schon seit 20 Jahren vom unmittelbar bevorstehenden Griff der Mullahs nach der Bombe. So ist sie die Realpolitik: Irgendwer muss immer gerade »die Drecksarbeit für uns alle erledigen« (Merz).

Da stellt sich natürlich die Frage, warum es überhaupt immer wieder zu Kriegen kommt, nach deren Ende alles noch viel schlimmer ist – und die wahnsinnig viel Geld kosten! Von der Besatzung Afghanistans heißt es, sie habe Deutschland 17,3 Milliarden Euro und die USA sogar 2,3 Billionen Dollar gekostet. Beim Krieg im Irak und Syrien waren es weitere 0,7 bis 1,8 Billionen US-Dollar. Aus dem Fenster geworfene Unsummen? Kommt darauf an, aus wessen Perspektive man darauf schaut. Denn der größte Teil der Kriegsausgaben blieb natürlich in den Industriestaaten selbst: Er floss aus den öffentlichen Haushalten auf die Konten der Rüstungskonzerne und »Sicherheits«-Dienstleister.

Der Durchschnittsbürger mag dümmer sein als der zu Unrecht verleumdete Goldfisch. Aber die Klasse der Kapitalanleger ist es nicht. Ausgaben dieser Größenordnung würde sie nicht dulden, kämen diese ihrer Macht nicht zugute. Man sagt zwar immer, dass es in einer komplexen Welt keine einfachen Antworten gibt. Doch manches ist erstaunlich simpel: Kriege werden geführt, weil sie sich lohnen. Ein Mordsgeschäft – für einige, auf Kosten der vielen. Raul Zelik

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