Antifa und Wohlfahrtsstaat

Die Linke muss internationalistischer werden, fordert Raul Zelik. Allein mit sozialen Themen lässt sich die Rechte nicht stoppen

Für Die Linke bergen die Kriege der Gegenwart großen innerparteilichen Sprengstoff. Aber eine Linke, die diesen Namen verdient, muss jenseits der Nationalstaaten denken.
Für Die Linke bergen die Kriege der Gegenwart großen innerparteilichen Sprengstoff. Aber eine Linke, die diesen Namen verdient, muss jenseits der Nationalstaaten denken.

Seit vergangenem Jahr setzt Die Linke ganz auf Verteilungsfragen: Mieten, Vermögensteuer, Sozialausgaben. Die Parteivorsitzende Ines Schwerdtner hat dafür das Motto entwickelt: »Antifa heißt Wohlfahrtsstaat«. Dort, wo kein Bus mehr fahre, so Schwerdtner, es kein Krankenhaus, keine intakten Spielplätze mehr gebe, habe die AfD leichtes Spiel.

Man kann darüber streiten, ob diese ökonomische Verknüpfung nicht in die Irre führt. Denn die Rechtsextremen in den Kommunalparlamenten von Gera und Greiz sind gewiss keine »Abgehängten«, sondern Apotheker, Rechtsanwälte und Immobilienmakler. Aber dem würde Schwerdtner vermutlich nicht widersprechen. Auch die Linke-Vorsitzende weiß, dass der Faschismus ein Elitenprojekt ist – dem man in der unteren Hälfte der Bevölkerung die Basis streitig machen muss.

Die Geschichte der Imperien zeigt, dass Klassenwidersprüche im Inneren durch die kriegerische Ausbeutung nach außen abgefedert werden können. Und auch im 20. Jahrhundert haben (Neo-)Kolonialismus und Wohlfahrtspolitik oft wunderbar harmoniert.

Trotzdem birgt die Parole »Antifa heißt Wohlfahrtsstaat« ein Problem. Auf der Tagung zur Vermögensverteilung, die die Linke-Bundestagsfraktion diese Woche organisierte, wurde das erneut manifest. Mit großer Kompetenz wurde über die Folgen der Ungleichheit in Deutschland, Steuermodelle und das Problem der Superreichen debattiert. Alles daran ist richtig – außer der nationalstaatlichen Perspektive. Denn ein zentraler Aspekt der ungleichen Vermögensverhältnisse ist deren transnationaler Charakter. Und immer wichtiger werden gerade die internationalen Ungleichheiten, die mit Krieg und Grenztruppen abgesichert und ausgebaut werden.

Zentrales Anliegen des Faschismus ist es, im »Kampf der Völker« zu siegen. Angesichts knapper werdender Ressourcen und wachsender Widersprüche mobilisiert die Rechte die Nation. Das globale Proletariat soll draußen gehalten werden, die notwendigen Ressourcen will man mit Waffen erobern.

Ob der Wohlfahrtsstaat hier wirklich ein Antidot darstellt, darf bezweifelt werden. Zumindest beweist die Geschichte der Imperien seit der Antike, dass Klassenwidersprüche im Inneren durch die kriegerische Ausbeutung nach außen abgefedert werden können. Und auch im 20. Jahrhundert haben (Neo-)Kolonialismus und Wohlfahrtspolitik oft wunderbar harmoniert.

In der aktuellen Konjunktur, in der der Krieg zur neuen Normalität der bürgerlichen Gesellschaft wird, muss Die Linke viel internationalistischer denken als bisher. Ausgangspunkt muss die Erkenntnis sein, dass der Kapitalismus globale Klassenverhältnisse hergestellt hat. Das braune und schwarze Proletariat, das weltweit durch Kriege und Klimaveränderung bedroht ist, darf zwar nicht bei uns wählen. Trotzdem muss eine Linke, die diesen Namen verdient, auch für dessen Interessen kämpfen.

Aus der Logik des Wohlfahrtsstaates könnten auch die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie oder billige Gasimporte für den Autostandort Deutschland als sinnvolle Anliegen gelten. Nur: Progressiv daran wäre nichts.

Wer es ernst meint mit dem Kampf gegen die Ungleichheit, darf nicht nationalstaatlich denken. Soziale Rechte müssen global und grenzüberschreitend ausgebaut werden. Auch wenn es innerparteilichen Sprengstoff birgt: In Zeiten eskalierender imperialistischer Kriege muss Die Linke internationalistisch Farbe bekennen – auf der Seite der Menschen, nicht der Staaten.

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