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Autoritär zum Erfolg
Dieter Lenzen empfiehlt den Hochschulen im Wettbewerb starke Präsidien und weniger Demokratie
Als 2009 im Rahmen des Bildungsstreiks bundesweit an die Viertelmillion Menschen gegen die Bologna-Reform und die neoliberale Umgestaltung der Hochschulen auf die Straße gingen, kam Dieter Lenzen gerade nach Hamburg. Dort wurde er im November zum Präsidenten der Universität gewählt, um diese – entgegen der Absicht der »gestrigen« Protestler*innen, wie die damalige Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan den Bildungsstreik beschrieb – für die neuen Wettbewerbsbedingungen fit zu machen. Als »Mr. Exzellenz« wurde Lenzen damals schon von der »Zeit« betitelt.
Tatsächlich standen die Hochschulen unter neuem Druck: Sie konnten sich zu Exzellenzstandorten mausern und üppige Drittmittel sichern – oder sukzessive verwahrlosen und der bereits dämmernden Austerität der kommenden Haushaltskürzungen zum Opfer fallen. Denn so ungefähr sah die Strategie der Wissenschaftsförderung hinter der Exzellenzinitiative aus, die jüngst in eine neue Runde gegangen war.
Die neue Welt des Wettbewerbs betraf auch die Studierenden, die nun mit modularisierten Studiengängen und vergleichbaren Abschlüssen effektiver und berufsqualifizierender studieren sollten. Dass darunter notwendigerweise die Inhalte und humanistischen Bildungsideale litten, bemängelte Mr. Exzellenz höchstselbst in seinem Buch »Bildung statt Bologna!« von 2014.
Aber Lenzen war keineswegs zum Alliierten der Protest-Studierenden geworden. Sein Plädoyer für »Bildung« atmete von Anfang an den Geist konservativen Kulturpessimismus. Er geißelte die »Lernfabriken« und meinte damit aber die demokratische Massenuniversität, nicht die Zurichtung durch Wettbewerb und Austerität. Sein Plädoyer für die »klassische Hochschultradition« umfasste eben auch den elitären Charakter.
Daher ist sich Lenzen auch absolut treu geblieben, wenn er nun wieder im Gastbeitrag »Auf die Gesetze kommt es an« der »FAZ« empfiehlt, wie »Erfolg im Exzellenzwettbewerb« erzielt werden kann: autoritär. Widerspenstige Gremien universitärer Selbstverwaltung sind den notwendigen Schritten erfolgreicher Führung nur hinderlich. »Bei hartnäckigen Widerständen wird ein Präsident oder eine Präsidentin (...) auch Gremien gegeneinander ausspielen« – natürlich nur, wenn die vorherige »Einbeziehung« nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat.
In einer Welt, in der antidemokratische Kräfte mit »Bürokratieabbau«, »Disruption« und libertären Wagnissen schon längst den Ton angeben, fällt so ein »Bildungsexperte« Lenzen kaum mehr auf. Und doch zeigt seine Figur ganz gut, wie der Konservatismus über Demokratieverachtung und entfesselten Wettbewerb die Brücke zu autoritären Kräften schlägt.
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