Berichterstattung belegt Medienrassismus

Matthias Monroy zu Recherchen über Hinrichtungen an Hungernden in Gaza

Palästinenser*innen auf dem Rückweg von Verteilkäfigen der GHF in Gaza.
Palästinenser*innen auf dem Rückweg von Verteilkäfigen der GHF in Gaza.

Regelmäßig und willkürlich tötet das Personal der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) an Verteilstellen im Gazastreifen Hilfesuchende – auch Kinder. Bereits in den ersten Wochen, nachdem Israels Premier Benjamin Netanjahu die humanitäre Hilfe mithilfe der US-Söldnerfirma Ende Mai militarisierte, kursierten Berichte darüber in sozialen Medien. Sie wurden jedoch international weitgehend ignoriert – wohl, weil sie vor allem von palästinensischen Betroffenen stammten.

Auch deutsche Medien begannen sich erst für die dystopischen und brutalen Zustände an den käfigartigen Verteilstellen zu interessieren, nachdem die »Haaretz« vorvergangene Woche darüber berichtete. Die renommierte israelische Tageszeitung bezog sich auf Aussagen von Soldat*innen der israelischen Armee, die von einem »Schlachtfeld« und einem »totalen Zusammenbruch ethischer Grundsätze« sprachen.

Erwartbar hat Israels Regierung den Bericht dementiert und dabei einen unfassbar dummen Vergleich bemüht: Die »Haaretz« reproduziere mit ihrem Artikel eine mittelalterliche Ritualmordlegende, wonach Jüd*innen nach dem Blut von Kindern trachteten. Nichts an der Recherche sei wahr. Besonders in Deutschland dürfte dieses staatliche Narrativ geholfen haben, die Aufmerksamkeit von den barbarischen Taten gegen Hungernde abzulenken. Denn Verlautbarungen der Kriegspartei Israel werden hierzulande ebenso unkritisch als Wahrheit übernommen wie Pressemitteilungen der deutschen Polizei.

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Diese Woche berichtete nun aber auch die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) über die Verbrechen an den Verteilkäfigen – mit deckungsgleichen Schilderungen, gestützt auf Aussagen amerikanischer Sicherheitskräfte, die für die Gaza Humanitarian Foundation arbeiten. Die Vorwürfe werden durch Videos belegt. Wie viele Menschen durch GHF-Mitarbeiter – und damit im Auftrag Israels – ermordet wurden, ist weiter unklar. »Haaretz« sprach vor zwei Wochen von 549 Erschossenen, AP von »mehreren Hundert«.

Die Voreingenommenheit zum Gaza-Krieg in deutschen Medienanstalten ist keine Neuigkeit. Sie zeigt sich täglich in den Überschriften zu mutmaßlichen israelischen Kriegsverbrechen oder bei der Berichterstattung über Opferzahlen, die aus dem Gesundheitsministerium in Gaza stammen und deshalb angezweifelt werden. Diese Borniertheit könnte leicht überwunden werden, wenn Israel nach 20 Monaten Krieg endlich Journalist*innen und Beobachter*innen nach Gaza ließe. Bis dahin müssen deutsche Medien den Berichten von Palästinenser*innen Glauben schenken – oder sich den Vorwurf des Medienrassismus gefallen lassen.

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