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Wohlfühlgipfel für Alijew
Aserbaidschans Staatschef nutzte den Eco-Gipfel, um die Säuberung Bergkarabachs zu rechtfertigen
Bestens gelaunt umarmte Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew vergangenen Freitag den Präsidenten der Islamischen Republik Iran Massud Peseschkian. Aserbaidschan hatte zum 17. Gipfel der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Eco) geladen und alle waren gekommen: die Präsidenten Aserbaidschans, der Türkei, des Iran, Usbekistans, Kirgistans, Tadschikistans und der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Darüber hinaus reisten die Premierminister von Pakistan und Kasachstan sowie die Vizepremierminister von Turkmenistan und der afghanischen Taliban-Regierung an. Auch Minister aus Saudi-Arabien, Nigeria und weiteren Staaten waren vertreten.
Gewinner dieses Gipfels sind vor allem der aktuelle Gastgeber, Aserbaidschan, und der Gastgeber des nächsten Gipfels, der Iran. Denn Aserbaidschans Führung hatte ausgerechnet nach Chankendi, besser bekannt auch unter seinem armenischen Namen Stepanakert, eingeladen. Und mit den Gästen kam auch gleichzeitig eine symbolische internationale Anerkennung des aserbaidschanischen Feldzuges gegen die Karabach-Armenier vom September 2023, in dessen Folge die gesamte armenische Bevölkerung von Bergkarabach dieses verlassen musste. Die symbolträchtige Wahl des Gipfelorts – Chankendi/Stepanakert – unterstreicht Aserbaidschans Bestreben, internationale Anerkennung für seine Kontrolle über Karabach zu erlangen.
Präsident Alijew begrüßte die Teilnehmer in der »befreiten Stadt« und betonte die Fortschritte beim Wiederaufbau sowie die Rückkehr vertriebener Menschen in die Region. Und so ist es auch kein Zufall, dass der erste Teil der Eröffnungsrede von Präsident Alijew der 30-jährigen armenischen Besatzung von Bergkarabach, den von Armeniern begangenen »ethnischen Säuberungen« gewidmet war.
»Während des 44-tägigen Vaterländischen Krieges im Jahr 2020 besiegte Aserbaidschan Armenien auf dem Schlachtfeld und befreite mehr als 300 Städte und Dörfer. Am 10. November 2020 wurde Armenien gezwungen, eine Kapitulationsurkunde zu unterzeichnen«, so Alijew. Unter armenischer Besatzung, so Alijew weiter, seien Städte und Dörfer sowie kulturelle und religiöse Denkmäler zerstört worden. »Von 67 Moscheen wurden 65 von Armenien vollständig zerstört, die übrigen zwei wurden schwer beschädigt und als Schweine- und Kuhstall genutzt. Dies war respektlos und eine Beleidigung für die islamische Religion und die Muslime in aller Welt.«
Dass ausgerechnet der iranische Präsident Peseschkian nach Chankendi/Stepanakert reiste, dürfte für das benachbarte und mit Aserbaidschan verfeindete Armenien ein Schlag gewesen sein, pflegen doch das christliche Armenien und die Islamische Republik Iran ausgezeichnete Beziehungen.
Doch wichtiger als seine guten Beziehungen zu Armenien dürfte für den Iran die Vertiefung der Kontakte zu Aserbaidschan, der Türkei und den zentralasiatischen Staaten sein. Recep Tayyip Erdoğans scharfe Kritik an Israel dürfte Peseschkian besonders gefallen haben. Netanjahus Politik, so der türkische Präsident, sei »aggressiv und destabilisierend« für die gesamte Region. »Wir werden nicht schweigen, während Netanjahu unsere Region in ein Blutbad verwandelt«, erklärte Erdoğan.
Erdoğan zeigte sich überzeugt, dass Chankendi zu einem neuen Entwicklungszentrum des Kaukasus werde. Im Rahmen des Gipfels wurde zudem die Stadt Şuşa zur »touristischen Hauptstadt der Eco« für das Jahr 2026 erklärt. Neben politischen Fragen wurden auf dem Gipfel auch wirtschaftliche Themen, Freihandel, Klimaschutz und technologische Zusammenarbeit diskutiert.
Für Überraschung sorgte der Auftritt von Mullah Abdul Ghani Baradar, auch Mullah Baradar Akhund genannt, der als stellvertretender Premierminister die afghanische Taliban-Regierung vertrat und in einer kurzen Rede den Gipfel als »wichtigen historischen Moment« lobte. Für Verwirrung in seiner Heimat sorgte hingegen Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew, der lediglich einen Stellvertreter schickte. Das sorgte in Kasachstan für Spekulationen, Tokajew wolle es sich vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen zwischen Baku und Moskau nicht mit Russlands Staatschef Wladimir Putin verscherzen.
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