Freifahrtschein für Drohnenkrieg

Matthias Monroy zum Ramstein-Urteil in Karlsruhe

Eine US-Kampfdrohne 2015 in Jalalabad, Afghanistan. Mit Einsätzen im benachbarten Pakistan hat das US-Militär sogenannte »gezielte Tötungen« weltweit etabliert.
Eine US-Kampfdrohne 2015 in Jalalabad, Afghanistan. Mit Einsätzen im benachbarten Pakistan hat das US-Militär sogenannte »gezielte Tötungen« weltweit etabliert.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde zweier Jemeniten abgewiesen, die das über die Airbase Ramstein laufende US-Drohnenprogramm stoppen wollten. Die gute Nachricht: Der Zweite Senat erkannte grundsätzlich an, dass sich aus deutschen Grundrechten eine extraterritoriale Schutzpflicht für ausländische Zivilist*innen ableiten lasse. Doch er verneinte, dass eine ernsthafte Gefahr für das humanitäre Völkerrecht vorliege – die Verletzungen seien nicht systematisch.

Diese Einschätzung ist fatal. Denn der als »Terrorismusbekämpfung« verbrämte US-Drohnenkrieg forderte sehr viele Opfer unter Zivilist*innen. Er hat auch die sogenannten gezielten Tötungen weltweit etabliert, hinter denen sich außergerichtliche Hinrichtungen aus der Luft verbergen – Ziele werden vom Geheimdienst vorgeschlagen und vom Präsidenten autorisiert. Mit der rasant zunehmenden Verbreitung bewaffneter Drohnen findet diese Praxis weltweit Nachahmer, allen voran die Türkei. Deren Bayraktar-Drohnen kommen in Kurdistan und vielen afrikanischen Staaten gegen angebliche Terroristen zum Einsatz, in Libyen sogar zur Bekämpfung von »Schleusern«.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Chance für eine höchstrichterliche Feststellung verpasst, wann der deutsche Staat auf eigenem Territorium Völkerrechtsverbrechen in anderen Teilen der Welt stoppen und ahnden muss. Diese Grundsatzfrage geht weit über Ramstein hinaus und betrifft das Kernproblem deutscher Außenpolitik: die Mittäterschaft bei Völkerrechtsverbrechen durch passive Duldung oder aktive Unterstützung. Denn auch Lieferungen von Waffen für Israels verheerenden Krieg in Gaza oder Schiffsmotoren für Myanmars Militär, das nachweislich Verbrechen gegen die Rohingya verübt, folgen dem Muster wie die weltweiten US-Drohnenmorde – deutsche Infrastruktur und Technologie ermöglichen Völkerrechtsverbrechen, ohne dass der Staat seiner Schutzpflicht nachkommt. Das Kabinett von Friedrich Merz dürfte das Urteil deshalb beklatschen: Es räumt ein Hindernis für Deutschlands Komplizenschaft mit Massenmördern aus dem Weg.

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