Werbung
  • Politik
  • Jakob Reimann vs. Karoline Preisler

Streit um Gaza-Kommentar vor Gericht

Karoline Preisler sieht sich von Jakob Reimann falsch zitiert – Urteil am Dienstag erwartet

Karoline Preisler (r., FDP), besucht regelmäßig pro-palästinensische Demonstrationen.
Karoline Preisler (r., FDP), besucht regelmäßig pro-palästinensische Demonstrationen.

»Wir diskutieren hier nicht, ob Frau Preisler recht hat oder ob Herr Reimann recht hat«, sagt die Richterin in der Verhandlung vor dem Landgericht Berlin am Freitag. Sie will die politische Dimension aus dem Verfahren heraushalten, wie sie sagt. Karoline Preisler, FDP-Mitglied und Polit-Aktivistin hat den Journalisten Jakob Reimann, der unter anderem für die Tageszeitung »Junge Welt« schreibt, auf Unterlassung verklagt.

Preisler ist medial sehr präsent. Sie geht immer wieder auf Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza, allerdings nicht, um an ihnen teilzunehmen, sondern als Ein-Personen-Gegenprotest. Dabei hält sie Schilder hoch, auf denen »Rape is not resistance« (Vergewaltigung ist kein Widerstand) oder »Believe Israeli Women« (Glaubt israelischen Frauen) steht. Bei der Verhandlung ist sie nicht anwesend. Sie lässt sich von per Video zugeschalteten Anwält*innen der Kanzlei von Ralf Höcker vertreten. Höcker ist ein prominenter Medienanwalt, dessen Kanzlei unter anderem die AfD im Verfahren gegen deren Einstufung als »gesichert rechtsextreme Bestrebung« durch den Verfassungsschutz vertritt.

Preisler sieht sich von Reimann falsch zitiert. Dieser hatte im September 2024 auf der Kurznachrichtenplattform x.com geschrieben: »Karoline Preisler (FDP), bekannt durch ihre ›Rape is not Resistance‹-Schilder, hat auch zu den massenhaften Vergewaltigungen palästinensischer Gefangener durch israelische Soldaten was zu sagen: ›selbst da ist Israel noch der menschlichere Akteur‹. Das ist die Radikalisierung der Mitte.«

Reimann bezog sich dabei auf ein Interview, das Preisler dem rechtskonservativen Verein Werte-Initiative gegeben hatte. In diesem sprach sie auch über Videos einer mutmaßlichen Vergewaltigung eines palästinensischen Gefangen durch israelische Soldaten im berüchtigten Gefangenenlager Sde Temain. Dazu hatte sie gesagt, die israelische Regierung sei tätig geworden, es habe Untersuchungen gegeben. Das erwarte sie. »Selbst in diesem schrecklichen Unrecht der sexuellen Gewalt, die mutmaßlich eben auch palästinensische Akteure erlitten haben, selbst da ist Israel der menschlichere Akteur.« Und ergänzte: »Weil es ein Rechtsstaat ist.« Außerdem hatte sie im Interview gesagt, sie ächte sexuelle Gewalt überall.

Die Richterin ist, wie sie sagt, zu der vorläufigen Einschätzung gekommen, dass Karoline Preisler die Aussage nicht so getätigt hat, wie Reimann sie wiedergegeben habe. Dass sie gesagt hat, Israel sei der menschlichere Akteur, steht dabei nicht infrage. Aber dadurch, dass Reimann die weiteren Äußerungen Preislers weggelassen habe, bekomme der Inhalt eine andere Bedeutung. »Wenn Sie sie zitieren, müssen Sie die vollständige Äußerung würdigen«, sagt sie zu Reimann.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Dieser sieht die Sache anders. Aus dem Video gehe nicht hervor, dass sich die Aussage, Israel sei der menschlichere Akteur, auf die rechtsstaatliche Aufarbeitung beziehe, so Reimann. In einer vorbereiteten Erklärung geht er auch inhaltlich auf die Aussage ein. Er zeichnet das Geschehen nach der Veröffentlichung der Videos aus Sde Temain nach. Gegen die Festnahmen der beteiligten Soldaten hatte es in dem Gefangenenlager eine Meuterei von Soldaten gegeben, unterstützt von rechtsradikalen Demonstranten. Mehrere hochrangige Regierungsmitglieder hatten sich hinter die Täter gestellt. Der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gwir, habe gesagt, Gruppenvergewaltigungen seien für die Sicherheit des Staates zulässig, so Reimann. Der Richter, der die Fälle bearbeite, habe vor wenigen Tagen Deals mit Minimalstrafen vorgeschlagen. Reimann kommt zum Schluss, dass der israelische Staat sexualisierte Gewalt an Palästinensern nicht verurteile, sondern Täter schütze.

Die Richterin lässt Reimann seine Erklärung verlesen, auch wenn sie sagt, das Gesagte sei rechtlich für diesen Fall nicht relevant. Sie unterbindet allerdings, dass Reimanns Anwalt Ahmed Abed weiter zu der inhaltlichen Frage, ob Preislers Ausagen zutreffen oder nicht, Stellung nimmt. »Dieser Gerichtssaal ist keine Bühne für politische Auseinandersetzungen«, sagt sie. Es gehe nur darum, ob Karoline Preisler es hinnehmen müsse, so zitiert zu werden.

Sie kündigt an, am kommenden Dienstag ein Urteil zu sprechen. So wie es aussieht, zugunsten von Karoline Preisler, verbunden mit hohen Kosten für Jakob Reimann – mehrere Tausend Euro, wie Anwalt Ahmed Abed schätzt. Deswegen gibt es eine Spendenkampagne für das Verfahren.

Nach der Verhandlung sagt Anwalt Abed zu »nd«, Karoline Preisler versuche, seinen Mandanten, der offen über den israelischen Völkermord spreche, mundtot zu machen. Jakob Reimann kündigt an, ein Urteil zu seinen Ungunsten anfechten zu wollen. »Denn es ist erschütternd und auch sehr bezeichnend für dieses immer autoritärer werdende Land, dass das Einstehen gegen Völkermord und Apartheid unter Beschuss steht.«

- Anzeige -

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -