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Kein Frieden für Syrien ohne Gerechtigkeit
Cyrus Salimi-Asl zur Gewalt in Syrien
In den letzten Wochen wurden gleich mehrfach vereinbarte Waffenruhen in der Provinz Al-Suweida, im Südwesten Syriens, gebrochen. Wohl von allen Seiten. Und die Schuld an der Eskalation der Gewalt lässt sich nicht so leicht der einen oder anderen Seite zuschieben. Der Auslöser der jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Drusen und sunnitischen Beduinen war die Entführung eines drusischen Gemüsehändlers, auf den als Racheakte weitere Entführungen folgten und ein Massaker, an dem sich auch Regierungstruppen und verbündete dschihadistische Milizen beteiligten.
Derzeit scheint die Feuerpause zu halten, nachdem drusische Milizen die Stadt Al-Suweida zwischenzeitlich wieder eingenommen haben. Doch die Lage bleibt unübersichtlich und noch schwieriger ist vorauszusagen, wie es weitergehen kann in Syrien. Die unter der Oberfläche schwelenden ethno-religiösen Konflikte eines angeblich geeinten Syriens, das Übergangspräsident Ahmad Al-Scharaa in Reden so gern betont, bedrohen die Zukunft des Landes entscheidend.
Den Machthabern in Damaskus fehlt jedoch die Autorität und wohl auch der Wille, Konflikte mit den Minderheiten – Kurden, Alawiten, Drusen etc. – rein friedlich beizulegen und dafür darauf zu verzichten, den syrischen Staat wie schon zuvor als ein rein sunnitisch-arabisches Gemeinwesen wieder aufzubauen. Wie weit Al-Scharaa zu Zugeständnissen an die Kurden im Norden, die Drusen im Süden oder die Alawiten im Westen bereit ist, werden die nächsten Monate zeigen.
Aufgrund seiner Biografie, zu der auch seine Militanz als Kämpfer für den Islamischen Staat (IS) oder verbündeter dschihadistischer Gruppierungen gehört, dürfte Ahmad Al-Scharaa auch Schwierigkeiten haben, seine islamistischen Milizen, die für einen islamischen Staat gekämpft haben, auf Linie zu bringen und in einen demokratisch verfassten Staat einzugliedern. Die massiven Gewaltexzesse der letzten Tage, bei denen Menschen hingerichtet wurden, beweisen dies erneut.
Essenziell ist für die Zukunft, dass sowohl die Verbrechen des Regimes von Baschar Al-Assad und ebenso die seit dessen Sturz juristisch aufgearbeitet werden. Solange Alawiten und Drusen pauschal eine Komplizenschaft mit dem alten Regime nachgesagt werden kann, wird kein Frieden einkehren. Dafür müssen die konkret Verantwortlichen vor Gericht. Und wer in den vergangenen Tagen Zivilisten getötet hat, darf nicht straffrei ausgehen – ob Druse, Beduine oder Kämpfer der von der Regierung entsandten Truppen.
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