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  • Serie »Long Bright River«

Die Straßen von Philadelphia

Der Krimi-Achtteiler »Long Bright River« porträtiert das gebrochene Stadtviertel Kensington

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Amanda Seyfried als Mickey Fitzpatrick in »Long Bright River«
Amanda Seyfried als Mickey Fitzpatrick in »Long Bright River«

Die Polizistin Mickey Fitzpatrick wird mit ihrem Partner zu einem Supermarkt gerufen, um eine junge drogenabhängige Frau festzunehmen. Sie sieht die Frau. Dann bittet sie ihren Kollegen, diese laufen zu lassen: Es sei ihre Schwester.

Das Verhältnis zwischen Mickey und ihrer ungleichen Schwester Kacey ist dramaturgischer Dreh- und Angelpunkt der Serie »Long Bright River«, einer Adaption des gleichnamigen Romans von Liz Moore. Aber die eigentliche Hauptperson dieses Krimi-Achtteilers ist Philadelphias Problem-Stadtteil Kensington. Filmgeschichtlich ist Kensington aus den Rocky-Filmen bekannt und steht für das Ostküsten-Arbeiterviertel mit den üblichen disruptiven Veränderungen der Deindustrialisierung und dem damit einhergehenden sozialen Abstieg. Heutzutage ist es einer der schlimmsten Drogen-Hotspots in den USA. Nirgendwo sonst gibt es massenhaft so billiges Heroin und die neuen synthetischen Drogen. Auf der Haupt-Avenue leben hunderte abhängige Obdachlose und konsumieren ganz offen ihre Drogen.

In »Long Bright River« geht in dieser Gegend ein Serientäter um, der junge drogenabhängige Sexarbeiterinnen ermordet. Als Mickeys Schwester über längere Zeit unauffindbar bleibt, macht sich die junge Polizistin Sorgen. Als alleinerziehende Mutter, deren Eltern an Drogen gestorben sind, mit einem familiären Anhang aus einem zumeist kleinkriminellen Milieu, hat sie es ohnehin nicht gerade leicht. Im männlich dominierten Polizeirevier kann sie sich auch kaum durchsetzen. Als sie während der Arbeit nach ihrer vermissten Schwester sucht und den Serienmörder jagt, verstößt sie außerdem gegen Anweisungen ihres Chefs, der ihr mit Rauswurf droht. Neben dieser Crime-Police-Story wird das Familienleben der beiden Schwestern in zahlreichen Rückblenden bis in die frühe Kindheit aufgerollt, in der sie zu Waisen wurden und sich ihr alkoholkranker Großvater um sie kümmerte, der mittlerweile trocken ist.

In zahlreichen US-amerikanischen Feuilletons wurde »Long Bright River« mit der viel gelobten und mit vier Emmys ausgezeichneten HBO-Serie »Mare of Easttown« verglichen, da sie ebenfalls eine komplexe sozialkritische Erzählung über eine Polizistin im Arbeitermilieu Pennsylvanias bietet. »Long Bright River« wurde allerdings deutlich günstiger produziert und kann da nicht wirklich mithalten. Die Serie bietet aber einen Blick in ein Stück Amerika, in dem die Menschen sozial abgehängt sind. Egal ob es der Kioskbesitzer an der Ecke ist, dessen Kinder von Polizisten erschossen wurden, die drogenabhängigen Sexarbeiterinnen, mit denen die Polizistin Mickey zur Schule ging, prekär arbeitende Menschen, deren Nachwuchs an einer Überdosis stirbt, oder Mickeys Großvater, der mit seinem Alkoholismus kämpft.

Mit fortlaufender Handlung erfahren die Zuschauer immer mehr über die Familiengeschichte der Fitzpatricks, die weitaus komplizierter ist, als es anfangs scheint. »Long Bright River« wartet mit diversen verblüffenden Wendungen auf, die Spannung steigt unaufhörlich. Dabei spielt auch institutioneller Missbrauch eine wichtige Rolle. Mickey war mit ihrer Schwester Mitglied in einem Polizei-Jugendclub. Ihr ehemaliger Mentor, ein junger Polizeibeamter, wird schließlich ihr Ehemann, der sie später sie für eine jüngere Frau verlässt. Auch am Drogenhandel im Viertel sind Polizeibeamte beteiligt, bald ermittelt Mickey gegen ihre eigenen Kollegen, die ihren ganzen Machtapparat nutzen, um ihre Geschäfte abzusichern. Ist auch der Serienmörder ein Polizeibeamter dieses Abschnitts und was hat das mit dem Polizei-Jugendclub zu tun? Alle Frauen in dieser Serie sind struktureller Gewalt ausgesetzt. Aber die Frauen tun sich irgendwann zusammen und wehren sich.

»Long Bright River« läuft bei Magenta TV.

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