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  • Fußball-EM der Frauen

Der Wille der DFB-Frauen versetzt in der Schweiz Berge

Mit der neuen »Defensivlust« wollen die deutschen Fußballerinnen auch im Halbfinale gegen Spanien bestehen

  • Frank Hellmann, Zürich
  • Lesedauer: 4 Min.
Janina Minge (o.) bejubelt einen gewonnenen Zweikampf gegen Frankreichs Marie-Antoinette Katoto.
Janina Minge (o.) bejubelt einen gewonnenen Zweikampf gegen Frankreichs Marie-Antoinette Katoto.

Wirklich allerlei Utensilien gibt es, die Zeugwart Steve Smith vor jedem Training der deutschen Fußballerinnen bei dieser EM im Sportzentrum Buchlern fein säuberlich bereitlegt. Eine Eistonne hat sich am Montag nicht unter den Materialien befunden, die zur ersten Trainingseinheit in Vorbereitung auf das Halbfinale gegen die Spanierinnen am Mittwoch in Zürich unter wolkenverhangenem Himmel genutzt wurden. Der gebürtige US-Amerikaner ist zwar ein kräftiger Kerl, aber solch ein Transport hätte auch ihn überfordert.

Respekt vor dem Halbfinale

Christian Wück hatte es ohnehin nicht ganz so ernst gemeint, als er nach dem epischen Viertelfinaldrama gegen Frankreich am Samstagabend »drei Tage Eistonne« angekündigt hatte. Der Bundestrainer hat die Einheit dann auch mit Fußballtennis beginnen lassen, so war auch die Verletzungsgefahr geringer. Und mit Rebecca Knaak, Franziska Kett und Giovanna Hoffmann drehten drei Heldinnen von Basel nur lockere Laufrunden.

Vor dem Halbfinale könnte der Respekt größer kaum sein – was für beide Seiten gilt. Die DFB-Frauen sind die »Bestia negra«: Wenn die Weltmeisterinnen aus Spanien einen Spaßverderber fürchten, dann den achtfachen Europameister, die »schwarze Bestie«. Für Weltfußballerinnen wie Aitana Bonmatí und Alexia Putellas seien die Deutschen so etwas wie ein mythischer Unhold, schrieb die Zeitung »As«. Und die »Marca« meinte, diese typische Turniermannschaft sei »Spaniens Kryptonit.«

Zwiekampfstärke gegen Passqualität

In bislang acht Duellen mit Deutschlands Fußballerinnen konnten die Spanierinnen noch nie gewinnen. Verloren haben sie wichtige Partien wie das Spiel um Bronze bei den Olympischen Spielen 2024, das Gruppenspiel bei der EM 2022 oder das WM-Gruppenspiel 2019. Das Muster war immer dasselbe: Der spanische Ballbesitz verlief sich irgendwann ins Leere, weil der Widerpart jeden Raum zulief und keinen Zweikampf scheute.

Gleichwohl gerät auch auf deutscher Seite die Verbeugung tief. Die »ungeheure Passqualität« sei bei den Gegnerinnen gepaart mit »einer gewissen Abgezocktheit«, erklärte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer. Basis bildet die gute Nachwuchsarbeit: Siebenmal, zuletzt viermal in Folge, holten die spanischen U19-Fußballerinnen den EM-Titel. Allerdings steht die Selección Española Femenina nun erst zum zweiten Mal nach 1997 wieder im Halbfinale einer EM – aber ihre Kombinationen laufen noch flotter als beim Titelgewinn bei der WM 2023.

Künzer gab sich dennoch ziemlich zuversichtlich, dass Janina Minge, Jule Brand oder neuerdings auch Sophia Kleinherne »in die Köpfe« eines favorisierten Teams gelangen: »Wir können die Spanierinnen packen.« Der Wille kann in der Schweiz anscheinend Berge versetzen. »Unter den besten vier Europas zu sein«, sagte die Weltmeisterin von 2003, »ist die Bestätigung des Weges.« Die 45-Jährige hatte schließlich ihren Job im Regierungspräsidium Gießen aufgegeben, um die DFB-Frauen zurück in die Erfolgsspur zu führen.

Lust am Verteidigen

Das Team steckt gerade wie ein Boxer alle Rückschläge weg. Es habe sich mittlerweile herumgesprochen, »wie unangenehm wir zu bespielen sind« – und »die Defensivlust« soll nun auch im Stadion Letzigrund vor der Haustür des Basecamps zur Aufführung kommen. Der Reisetag entfällt damit. Diese Auferstehung der deutschen Tugenden fällt in eine Phase, wo gerade der frühere DFB-Sportdirektor Matthias Sammer eine Generalabrechnung vorgenommen hatte. Seine Schelte galt den Männern. Wenn nun die Frauen beim wichtigsten Turnier des Sommers das Gegenteil beweisen, hilft das ungemein. Dem Verband, den Vereinen – und natürlich den Spielerinnen, die jetzt noch zwei Schritte bis zu ihrem erklärten Ziel gehen müssen.

Das Team sei inzwischen geübt darin, befand Künzer, auf »Ausfälle, Verletzungen, Rote Karten« zu reagieren – und jede Lücke zu kompensieren. Im Halbfinale fehlen die verletzte Sarai Linder sowie die gesperrten Kathrin Hendrich und Sjoeke Nüsken. Am schwierigsten ist es, die zur Vizekapitänin aufgerückte und mit viel Verantwortungsbewusstsein ausgestattete Nüsken im Mittelfeld zu ersetzen. Trotzdem ist die Zuversicht groß, noch einmal beste Abendunterhaltung anzubieten. Die Vorbereitungen laufen – auch ohne Eistonne.

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