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»Rettet Maja Aktionscamp«: Das Camp endet, der Kampf geht weiter
Das Camp vor dem Auswärtigen Amt in Berlin fordert, Maja T. nach Deutschland zurückzuholen
»Camping mitten in Berlin?«, fragt eine junge Frau in gebrochenem Deutsch. Sie blickt auf die Zelte, die auf einer Wiese gegenüber dem Auswärtigen Amt in der Berliner Innenstadt aufgebaut sind. Ein junger Mann stellt klar: »Wir machen hier keine Ferien.« Tatsächlich gibt es im »Rettet Maja Aktionscamp« viel zu tun.
Basti, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, geht sehr offen und freundlich auf alle Menschen zu, die sich den Zelten nähern. Es sind viele Tourist*innen darunter, aber auch Menschen wie Rudi Schultheiß. Der Rentner wohnt in einem Hochhaus an der Fischerinsel, nur wenige Schritte vom Auswärtigen Amt entfernt. Beim Gassigehen mit seinem Hund stieß er auf das Camp – und kam wieder.
»Vor dem Außenministerium gibt es oft Proteste«, sagt Schultheiß dem »nd«. »Doch die jungen Leute vom Maja-Camp suchen besonders das Gespräch mit Passanten – auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.« Er unterstütze zwar die Forderung, Maja T. aus Ungarn nach Deutschland zurückzuholen. »Aber sie soll hier vor Gericht gestellt werden, denn die Vorwürfe müssen geklärt werden«, sagt der 68-Jährige.
Juliane, die zum Camp gehört, betont, dass auch ihre zentrale Forderung darin besteht, T. aus Budapest zurückzubringen. Um Hafterleichterungen in Ungarn zu bewirken, trat die nonbinäre Antifaschist*in in einen Hungerstreik, den sie nach mehr als fünf Wochen wegen drohender Gesundheitsschäden abbrach. Majas Vater, Wolfram Jarosch, setzt sich ebenfalls ein: Er marschiert von Dresden nach Budapest, um auf die Forderung aufmerksam zu machen. Anfang Juli lief er bereits von Jena nach Berlin und sammelte unterwegs viele Unterschriften für Majas Rückkehr.
Die Forderung stützt sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Majas Auslieferung nach Ungarn für rechtswidrig erklärte. Doch da war T. bereits in einer Blitzaktion überstellt worden. Rudi Schultheiß versteht nicht, warum Maja seitdem nicht wieder nach Deutschland überstellt wurde. Schließlich könne T. auch hier der Prozess wegen des Vorwurfs gemacht werden, Maja habe mit anderen Antifaschist*innen Teilnehmende eines Naziaufmarsches in Budapest angegriffen.
Deswegen wird auch in Deutschland gegen zahlreiche Personen ermittelt, mehrere befinden sich in Untersuchungshaft. »Wir fordern auch deren Freilassung und ein Ende der Kriminalisierung von konsequentem Antifaschismus«, betont Basti vom Camp. An den Parolen auf den Transparenten wird deutlich, dass sich die Kritik auch gegen Behörden in Deutschland richtet: »Ungarn foltert, ihr macht mit« steht auf einem Banner.
In den vergangenen Tagen beteiligten sich die Camp-Teilnehmer*innen an verschiedenen Aktionen in Berlin, um auf Majas Situation aufmerksam zu machen. Dazu gehörte die kurzzeitige Besetzung im Eingangsbereich des ZDF-Hauptstadtstudios. Wenige Stunden später nahm die Polizei einen Journalisten fest, der für die linke Online-Plattform »Perspektive« die Aktion gefilmt hatte. Ihm wird Landfriedensbruch vorgeworfen.
Es sei nicht die einzige Repressionsmaßnahme gegen das Camp gewesen, berichtet Basti. So durften die Teilnehmer*innen in den ersten Tagen nicht im Camp übernachten. Doch sie konnten durchsetzen, dass einige Zelte aufgestellt wurden, in denen sie sich ausruhen können. Jeden Tag fanden im Camp mehrere Veranstaltungen statt. Am Freitagnachmittag berichtete die ehemalige RAF-Gefangene Margrit Schiller über ihren Kampf um eine Verbesserung der Haftbedingungen. Dazu hatten auch Hungerstreiks gehört.
Am selben Tag machten Unterstützer*innen von Maja bekannt, dass das Berufungsgericht in Budapest erneut die Möglichkeit eines Hausarrests abgelehnt habe. Als Begründung diene ausgerechnet der Hungerstreik, den Maja begann, nachdem ihr eine Erleichterung der Haftbedingungen verweigert wurde. »Damit wird die Isolationshaft fortgeführt«, heißt es in einer Mitteilung der Gruppe.
Majas Vater, Wolfram Jarosch, kritisiert, dass seit einem Jahr die Voraussetzungen für einen Hausarrest erfüllt seien. Eine Kaution sei bereitgestellt, und eine geeignete Wohnung könne auf eigene Kosten angemietet werden. »Es wird immer deutlicher, dass es sich nicht um ein faires Verfahren handelt, sondern um Rachejustiz, die Maja brechen soll«, sagt Jarosch.
Im Camp diskutierte der Linke-Bundestagsabgeordnete Luka Hoss auch mit den Teilnehmer*innen, wie die Solidarität mit Maja gestärkt werden könne. »Gerade jetzt, nachdem Maja ihren Hungerstreik beendet hat, ist es wichtig, dass ihre Forderungen nicht in Vergessenheit geraten«, betont Basti.
In den letzten Wochen, als Majas Leben akut gefährdet war, hat es in vielen deutschen und europäischen Städten in Deutschland Solidaritätsaktionen gegeben. Manche Gruppen brauchen nach den turbulenten Tagen nun eine Pause – auch die Berliner Aktivist*innen. Das Camp werde jetzt beendet, sagt ein Teilnehmer und zeigt sich enttäuscht über die Resonanz in Berlin. »Wir hatten gedacht, dass es hier mehr Unterstützung gibt. Dann hätten wir das Camp auch länger fortsetzen können.«
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