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Giovanna Hoffmann vor EM-Spiel gegen Spanien: »Wir schaffen das«
Die DFB-Stürmerin im Interview über die Losung für das Halbfinale, das Drama im Viertelfinale und ihren langen Weg ins deutsche Nationalteam
Das Viertelfinale gegen Frankreich war ein echtes Drama. Können Sie nach so einem Spiel eigentlich schlafen?
Nein. Das ging nicht in dieser Nacht. Irgendwann ging die Sonne auf und ich hatte immer noch kein Auge zugemacht. Ich hatte so viel Adrenalin im Körper. Das ging vielen von uns so. Es war das anstrengendste Spiel meiner Karriere – mit Abstand. Dabei ist Schlaf das Wichtigste für die Regeneration.
Was haben Sie nach der Roten Karte gegen Kathrin Hendrich gedacht?
Ich habe nach der Roten Karte und dem 0:1 auf die Uhr geguckt und gedacht, dass noch ziemlich lange zu spielen ist. (lacht) Aber wir sind im Kreis zusammengekommen und haben besprochen, wie wir taktisch weiterspielen. Dann haben wir uns in die Augen geguckt und gesagt: »Egal, was heute passiert: Wir schaffen das.« Und das haben wir uns auch noch oft im Spiel gesagt.
Wie wirkt sich das Fehlen von Sjoeke Nüsken, Kathrin Hendrich und Sarai Linder am Mittwoch im Halbfinale gegen Spanien aus?
Widerstände werfen uns nicht zurück, sondern machen uns noch stärker. Wir haben eine hohe Resilienz in der Mannschaft. Jede Spielerin ist in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. In einem Halbfinale müssen wir alle über uns hinauswachsen.
Giovanna Hoffmann hat sich vor dem Halbfinale der EM an diesem Mittwoch gegen Spanien einen Startelfplatz im DFB-Team erkämpft. Für Bundestrainer Christian Wück verkörpert die 26-Jährige von RB Leipzig alle Tugenden, die eine Mittelstürmerin benötigt. Vor ihrem zwölften Länderspiel spricht die gebürtige Bremerhavenerin über die Europameisterschaft, das deutsche Team, die Gegner und ihren Glauben.
Ihre Gegenspielerin Irene Paredes ist eine der weltbesten Verteidigerinnen, die auch ordentlich austeilen kann.
Ich weiß nicht, wie viele Nahkämpfe ich gegen Frankreich geführt habe. Jetzt kommt Spanien – das Spiel wird kämpferisch auf ähnlichem Niveau sein. Es werden ähnliche Tugenden wichtig sein wie im Viertelfinale. Wir bleiben hoffentlich zu elft, damit es mehr aufs Spielerische ankommt. (lacht)
Für Sie war es ein langer Weg in die deutsche Nationalelf.
Ich spiele seit 2016 in der Bundesliga. Das ist eine lange Zeit. Ich hatte die Nationalmannschaft nicht mehr auf den Zettel. Für mich ging es darum, wieder Freude am Fußball zu haben und konstant zu spielen. Dass es nach so langer Zeit noch geklappt hat, ist natürlich schön, aber die Wege sind unterschiedlich.
Für eine erste Nominierung im vergangenen Jahr musste aber erst Christian Wück Bundestrainer werden.
Ja, aber das gehört auch dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist – und dass man Menschen hat, die einem vertrauen.
Und jetzt sind Sie bei der EM die Mittelstürmerin des deutschen Nationalteams.
Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, bei der EM zu spielen. Ich kannte meine Rolle. Das Spiel gegen Frankreich hat bewiesen, dass alles, was wir vorher gesagt haben, nicht nur Phrasen waren, dass jede Spielerin gebraucht wird. Vor einer Franziska Kett ziehen ich alle Hüte, dass sie so eine Leistung bringt. Oder was Sophia Kleinherne abgerissen hat, die nach wenigen Minuten reinkam.
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Es gibt ein Bild von Ihnen nach dem Elfmeterschießen, wie Sie mit ausgebreiteten Armen auf dem Rasen knien. Sie sind sehr gläubig.
Für mich war das ein sehr persönlicher Moment: Wir haben nicht nur ein Fußballspiel gewonnen. Mit Gott zu leben bedeutet, jeden Tag gemeinsam zu erleben. Wenn man ein so großes Geschenk bekommt, in solch einem Spiel mit einem so positiven Ausgang spielen zu dürfen: Dafür bin ich vor Dankbarkeit auf die Knie gegangen.
Haben Sie die Bibel im Reisegepäck?
Ja, die habe ich dabei und lese darin. Für mich bedeutet gläubig zu sein, das zu glauben, was in der Bibel steht. Ich habe die Entscheidung getroffen, dass das zu meinem Leben gehören soll, dass das mein Leben ist.
Sie spielen seit Sommer 2024 in Leipzig. Wie groß ist die Verlockung, den nächsten Schritt zu gehen?
Ich habe noch ein Jahr Vertrag bei RB Leipzig und beschäftige mich derzeit nicht mit einem Wechsel. Jetzt ist das Turnier wichtig. Mein Berater darf mich auch nur anrufen, um mich zu beglückwünschen. (lacht)
Was ist der Traumberuf nach der Fußballkarriere?
Ich war mir bisher immer sicher, dass ich Richterin oder Staatsanwältin werden will. Das ist der Wunsch, aber mal sehen, was in der juristischen Welt noch passiert.
Wie sieht es mit dem Studium aus?
Ich habe von 2016 bis zum ersten Staatsexamen 2021 Jura studiert, für das zweite fehlt mir noch das Referendariat. Aber durch den Fußball ist das aktuell nicht möglich. Deshalb habe ich eine Pause eingelegt. In meiner Zeit beim SC Freiburg habe ich dort an der Universität gearbeitet, am Lehrstuhl für Strafrecht. Seit ich in Leipzig bin, habe ich keine Nebentätigkeit mehr, weil das zeitlich nicht möglich ist. Aber irgendwann werde ich hoffentlich noch mein Referendariat machen.
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