Regierung erleichtert Rüstungsgeschäfte

Kabinett bringt Gesetz zur Entbürokratisierung der Aufrüstung der Bundeswehr auf den Weg

Künftig soll die Truppe neue Waffen wie das Flugabwehrsystem Patriot ohne lästige Vergaberegeln beschaffen können.
Künftig soll die Truppe neue Waffen wie das Flugabwehrsystem Patriot ohne lästige Vergaberegeln beschaffen können.

Schneller muss es gehen: 500 Milliarden Euro für »Verteidigung« im Allgemeinen und die Bundeswehr im Besonderen wollen ausgegeben werden, solange die Preise sich noch nicht vervielfacht haben. Denn die Rüstungskonzerne verteuern ihre Produkte kontinuierlich und erleben den größten Boom seit Weltkriegsende.

Am Mittwoch hat die Bundesregierung deshalb den Entwurf für das bereits im Koalitionsvertrag von Union und SPD geplante sogenannte Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Es soll das Beschaffungswesen vereinfachen und »entbürokratisieren«, verkürzte Verfahren ermöglichen. Insbesondere soll laut dem Entwurf künftig bei der Vergabe von Aufträgen auch auf Ausschreibungen verzichtet werden können. Während Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) von einem »Quantensprung« sprach, schrillen offenbar bei den Unternehmen unterhalb der Spitzenklasse von Rheinmetall, KNDS und Co. die Alarmglocken.

So fürchtet etwa Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB), dass der Mittelstand »unter die Räder« kommt. So sei zwar die geplante Aussetzung des sogenannten Losgrundsatzes für die Beschaffung von Ausrüstung, Technik oder »Systemen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit« nachvollziehbar. »Doch Bauprojekte, Liegenschaften und andere nichtmilitärische Vorhaben dürfen nicht unter pauschale Ausnahmen fallen«, mahnte Pakleppa in einer Pressemitteilung. Genau das ist aber beabsichtigt.

Im Gesetzentwurf wird nachdrücklich auf die vermeintliche Bedrohung durch Russland und einen möglichen Angriff auf Nato-Länder verwiesen. Komplexe Beschaffungs- und Genehmigungsverfahren dürften deshalb die Aufrüstung der Bundeswehr nicht bremsen, erklärte Pistorius. Gelten sollen die Sonderregelungen zur Beschaffungsbeschleunigung vorerst bis Ende 2035. Mit ihnen würden »künftig Direktvergaben von Aufträgen« an einzelne Firmen ohne Ausschreibung »schneller und häufiger möglich«, erläuterte der Minister.

Wertgrenzen, bis zu denen Aufträge ohne förmliche Ausschreibung direkt an Firmen vergeben werden können, werden mit dem Gesetz angehoben. Dies gilt bisher nur für Geschäfte im Umfang von bis zu 15 000 Euro. Laut Pistorius soll die Schwelle nun für alle Aufträge, »die unsere Verteidigungsfähigkeit stärken«, drastisch auf 443 000 Euro angehoben werden. Damit könnten fast 8000 Aufträge schneller bearbeitet werden, sagte der Minister. Bei Bauaufträgen soll die Schwelle sogar auf eine Million Euro erhöht werden. Dies betreffe 4000 Aufträge.

»Kriegsvorbereitung hat mit diesem Gesetz Vorrang, denn es setzt Standards von Auftragsvergaben außer Kraft.«

Ulrich Thoden Linksfraktion im Bundestag

Pistorius räumte ein, dies werde »die ein oder andere Zumutung« für Unternehmen mit sich bringen, wenn es um die Möglichkeit von Klagen gegen Vergabeverfahren gehe. »Da wird der ein oder andere sich dann vielleicht auch mal zurücknehmen müssen im Interesse des großen Ganzen.«

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sagte: »Wir müssen technologisch und industriell stärker werden als potenzielle Angreifer.« Auch sie stellte klar, dass sich die neuen Regeln nicht nur auf Waffensysteme beziehen, sondern auch auf zivile Güter und Dienstleistungen wie Sanitätsausrüstung und den Bau von Kasernen.

Erleichtern will das Kabinett auch die Zusammenarbeit mit Start-ups. An sie könnten künftig »in viel größerem Umfang« Vorauszahlungen für Aufträge geleistet werden, sagte Pistorius. Denn ihnen fehlten häufig die finanziellen Möglichkeiten, »um schnell die Produktion hochfahren zu können«. Ralf Wintergerst, Präsident des Digitalverbandes Bitkom lobte, das Gesetz läute »den dringend nötigen Richtungswechsel in der Beschaffungspolitik« ein. Denn Verteidigungsfähigkeit werde »heute mindestens so sehr durch digitale Technologien und Software definiert wie durch Fregatten und schweres Gerät«.

Militärflugplätze sollen nach den Regierungsplänen einfacher gebaut oder ausgebaut werden können. Bei diesen fallen über eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes langwierige Planfeststellungsverfahren weg. Zudem soll der Bau von Industrieanlagen und anderen Gebäuden untersagt werden, wenn sie den Betrieb von Luftverteidigungsanlagen stören können.

Während den Grünen die Pläne nicht weitreichend genug sind, wirft Die Linke der Regierung vor, »Kriegsvorbereitung« den Vorrang zu geben. Das Gesetz setze »Standards von Auftragsvergaben außer Kraft«, Rüstungsvorhaben hätten »grundsätzlich Priorität«, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Thoden. In einem Punkt ist sich der Politiker mit Grünen-Militärexpertin Agnieszka Brugger einig – auch er kritisiert eine Einschränkung von parlamentarischen Rechten: »Wie unter den Bedingungen dieses Gesetzes, das maximale Beinfreiheit für das Militär bei einem schon jetzt undurchsichtigen Beschaffungswesen gewährt, parlamentarische Kontrolle möglich sein soll, steht in den Sternen.«

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