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Happy Birthday, Frantz Fanon
Volles Haus bei der Fanon-Konferenz im »nd«. Was macht den Denker des Antikolonialismus für viele heute wieder aktuell?
Diese Woche hatte das »nd« eine internationale Konferenz zum 100. Geburtstag des antikolonialen Philosophen Frantz Fanon im Haus. Mehrere hundert Personen nahmen teil – die meisten von ihnen waren um die dreißig oder jünger, zwei Drittel der Besucher hatten Migrationshintergrund. Ein bisschen verwunderlich war das schon: Nicht mit vielen Themen gelingt es uns, so ein großes Publikum anzusprechen.
Was ist es, das den schwarzen Philosophen Fanon für viele heute wieder interessant macht? Einige Antworten ergeben sich aus seiner Biografie: Fanon war 17, als er sich aus antifaschistischen Motiven dem Kampf gegen Nazi-Deutschland anschloss. Vom Rassismus der Alliierten war er allerdings so angewidert, dass er seine Kriegsbeteiligung schon bald als Fehler bezeichnete. Nach dem Krieg wurde er Psychiater und schrieb mit »Schwarze Haut, weiße Masken« ein Buch, das bis heute als Meilenstein gilt, weil es die Verbindung von Kolonialrassismus und psychischen Strukturen so präzis beschreibt.
1953 ging Fanon als Arzt ins damals noch französisch besetzte Algerien und begann mit der Befreiungsbewegung zu kooperieren. Teilweise dieselben Generäle, die ihn während des Zweiten Weltkriegs kommandiert hatten, wurden nun seine Feinde – unter anderem der General Raoul Salan, der die rechten OAS-Todesschwadronen aufbaute und einen Putsch organisierte. Für Fanon eine einschneidende Erfahrung: Auch bürgerliche Nazi-Gegner befürworten im Ernstfall den Faschismus.
Fanon radikalisierte sich, reiste im Auftrag der algerischen FLN durch Afrika, um eine gemeinsame Front der unabhängigen Staaten aufzubauen, überlebte ein Attentat französischer Militärs und schrieb im Alter von nur 36 Jahren das Buch, das heute als sein Vermächtnis gilt: »Die Verdammten dieser Erde«.
Die 1960er Jahre, in denen es möglich schien, die Welt vom globalen Süden her zu verändern, scheinen heute unendlich weit weg. Der Krieg ist zum Normalzustand geworden, Befreiung steht in diesen Konflikten nirgends mehr auf der Agenda. Stattdessen geht es um Ressourcenversorgung, Einflussbereiche, Ethnizität. An die Stelle der Kolonialmächte ist ein neokolonialer Weltmarkt getreten.
Vielleicht ist es das, was Fanon für junge internationale Linke so aktuell macht. In unserer Welt sind Klassenverhältnisse und Rassismus untrennbar miteinander verwoben – und globalisiert. Das gemeinsame Projekt von Rechten und Mitte besteht darin, die internationale Ungleichheit mit militärischen Mitteln abzusichern und die eigenen Landesgrenzen für das schwarze und braune Armutsproletariat zu schließen.
Wer hier dagegenhalten will, muss vom globalen Süden her auf die Verhältnisse blicken. Gerade als Antifaschist hat uns der universalistische Humanist Frantz Fanon hier einiges zu sagen. Raul Zelik
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