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Bauern bilden Kooperativen: Für Umweltschutz, gegen EU-Bürokratie
Gemeinsam für Klima und Artenvielfalt – Brandenburgs Kooperativen als Zukunftsmodell der Landwirtschaft
In Plessow im brandenburgischen Landkreis Potsdam-Mittelmark steht ein Gerstenfeld von Landwirt Marco Hintze. Es unterscheidet sich deutlich von den anderen Gerstenfeldern in der Region. Statt eines einfachen Grünstreifens, der Feld und Straße voneinander trennt, ziert hier ein 24 Meter breiter Blühstreifen mit Sonnenblumen, Buchweizen, Leindotter, Phacelia und vielen weiteren insektenfreundlichen Pflanzen das Feld. Der einst triste Grünstreifen ist hier ein bunter Lebensraum für Insekten wie Wildbienen und Vögel wie Feldlerchen. Außerdem schützt der breite Blühstreifen den Boden vor Erosion. Solche Blühstreifen an Feldrändern sind bisher eine Seltenheit in Brandenburg – obwohl sie viele Vorteile bieten.
Seit dem 1. Januar 2023 geht Brandenburg neue Wege im Natur- und Klimaschutz: Eine eigens überarbeitete Förderrichtlinie des Landes ermöglicht erstmals die kooperative Umsetzung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM), die in der Regel vom jeweiligen Bundesland und der EU kofinanziert werden. Landwirtschaftsbetriebe können sich zu Kooperativen zusammenschließen, um gemeinsam Maßnahmen für Biodiversität und Klimaschutz umzusetzen – ein Modell, mit dem Brandenburg bundesweit eine Vorreiterrolle einnimmt. Das Projekt nennt sich etwas umständlich »Kollektive Modelle zur Förderung der Biodiversität«, kurz: Kombi. Gefördert werden Kooperativen, die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in einem Projektgebiet planen und umsetzen. Diese Zusammenschlüsse bestehen aus mindestens drei einzelnen Agrarbetrieben.
Seit 2023 fanden in Brandenburg 76 Einzelbetriebe in acht Kooperativen zusammen. Das Besondere dabei: Auch Landwirte, die zuvor keine Umweltprogramme umgesetzt haben, beteiligen sich erstmals. Und die Agrarbetriebe können Maßnahmen ergreifen, die auf die konkreten Bedingungen vor Ort zugeschnitten sind – jenseits der oft starren Vorgaben der EU-Agrarpolitik. Der Blühstreifen von Marco Hintze ist ein solches Beispiel. Die auf seine Fläche abgestimmte Bepflanzung mit insektenfreundlichen Arten war keine gelistete Maßnahme des EU-Förderprogrammes für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in Brandenburg.
Das Kooperationsmanagement übernehmen je nach Region Landschaftspflegeverbände oder Kreisbauernverbände. Das Management entwickelt Fachkonzepte sowie einen jährlichen Nutzungsplan, in dem festgelegt wird, welche ökologischen Maßnahmen auf welchen Flächen umgesetzt werden. Diese Pläne werden beim Agrarministerium eingereicht. Darüber hinaus stellt das Management die Anträge und betreut die teilnehmenden Betriebe, die durchmischt konventionelle sowie ökologische Landwirtschaft betreiben. Das Projekt wird wissenschaftlich durch die Universität Gießen begleitet. Ein Monitoring misst beispielsweise die Zunahme von Insekten oder Vögeln auf den Flächen.
Die Zusammenarbeit in Kooperativen entlastet Landwirte spürbar: Der bürokratische Aufwand sinkt, da Fördermittel gemeinschaftlich beantragt werden. Gleichzeitig steigt die ökologische Wirkung. Der Wissensaustausch zwischen den Landwirten steht ebenfalls im Fokus.
»Jeder hängt sein Herz ran und will der Umwelt helfen.«
Roland von Schmeling Landwirt
So hat sich Landwirt Marco Hintze bezüglich seiner Blühwiese von Biobauern in der Kooperative beraten lassen und auf deren Empfehlung eine Saatmischung in Bioqualität zusammenstellen lassen. Kostenpunkt: 160 Euro pro Hektar, die das Projekt übernommen hat. Nur aussäen musste Hintze die Samen selbst.
Pro Jahr und Hektar erhalten die teilnehmenden Betriebe einen Maximal-Fördersatz von 300 Euro. 20 Prozent der Mittel gehen an das Management. Wie hoch die Prämie für den Blühstreifen im nächsten Jahr ausfällt, weiß Kombi noch nicht. Die Kooperative entmutigt das nicht, denn der wirtschaftliche Nutzen stehe für sie dabei ohnehin nicht im Vordergrund. »Das ist eine Überraschung, so wie immer im Leben«, entgegnet Bauer Hintze gelassen.
Zu der Kooperative, in der Marco Hintze mitwirkt, gehören auch Roland von Schmeling und Jochen Fritze vom Bio-Hof Werder. Sie halten 40 Wasserbüffel auf ihren Moorflächen, die andernfalls ungenutzt bleiben würden. Der Wasserrückhalt in diesen Gebieten ist essenziell. Trocknet der Boden aus, wächst dort nichts mehr. Geschlachtet wird per Schuss auf der Weide im Alter von drei bis vier Jahren. Der Markt für Büffelfleisch sei zwar noch klein, doch von Schmeling setzt auf diese besonders nachhaltige Nutzung. Obwohl es für die Büffelhaltung selbst keine eigene Förderung gibt, erhält Roland von Schmeling eine Prämie von 110 Euro pro Hektar im Jahr für die sogenannte moorschonende Stauhaltung. Als Einzelbetrieb wäre die Antragstellung bürokratisch kaum zu bewältigen, doch die Kooperative entlastet ihn. Roland von Schmeling versichert: »Jeder hängt sein Herz ran und will der Umwelt helfen.«
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Die Palette der Maßnahmen reicht bis zu Schutzprogrammen für Feldvögel wie Kiebitz oder Lerche und auch bis hin zur Entwicklung von Dauerbeweidung von Obstplantagen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass Flächen zusammenhängen und Biotopverbünde entstehen.
Die Laufzeit einer Kooperative beträgt fünf Jahre. Derzeit können keine neuen Kooperativen mehr gegründet werden. Betriebe können sich aber schon bestehenden Strukturen anschließen.
Naturschutz ist im Dickicht strenger EU-Vorgaben schwer umzusetzen. Die Brandenburger Landwirte haben aber einen Weg gefunden, damit umzugehen. Kooperativen dieser Art finden sich mittlerweile auch in Hessen, Sachsen und Baden-Württemberg.
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