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Ecuadors Regierung setzt auf eine Politik der maximalen Härte

Der Sozialwissenschaftler Fernando Carrión über den Einfluss der Drogenkartelle in Ecuador

Ecuadors Sicherheitskräfte versuchen mit Härte und Verhaftungen den kriminellen Banden zu begegnen.
Ecuadors Sicherheitskräfte versuchen mit Härte und Verhaftungen den kriminellen Banden zu begegnen.

In Ecuador machen sich kriminelle Banden, oft Ableger großer Kartelle, in immer mehr Gemeinden breit und die Mordrate steigt. Ende Juni wurde José Adolfo Macías Villamar alias »Fito«, der Boss des einflussreichsten Drogenkartells Ecuadors, »Los Choneros«, gefasst, am 21. Juli an die USA überstellt. Ein nachhaltiger Erfolg für die Regierung von Daniel Noboa?

Schwer zu sagen. Direkt nach der Festnahme von »Fito« gab es mehrere Massaker in seiner Heimatstadt Manta, wo er auch gefasst wurde, und in den umliegenden Städten wie Portoviejo und Babahoyo, aber auch in Guayaquil und Durán. Ich denke, dass es da bereits um die künftige Führung innerhalb der »Choneros« ging, die sich nun reorganisieren müssen. Die »Choneros« bestehen aus zwei Fraktionen, die »Los Fatales« und »Los Águilas« heißen. Der Anführer der »Fatales« hieß »Fito«, die »Águilas« wurden von Yunior gleitet. Doch als Yunior vor mehr als einem Jahr nach Kolumbien floh, wurde er dort ermordet und so übernahm »Fito« die Kontrolle über beide Flügel der »Choneros«. Das ist mit seiner Festnahme vorbei.

Hatte »Fito« aus seinem Versteck in Manta, wo er als Taxifahrer begann, die »Choneros« nach wie vor im Griff?

Ich denke ja. Darauf deuten auch die Angaben der Regierung hin.

Hat die Regierung eine ausbalancierte Strategie, um die laut offiziellen Zahlen mindestens 22 Kartelle erfolgreich zu bekämpfen?

Die Regierung setzt auf eine Politik der maximalen Härte, sie hat den Kartellen im Januar 2024 den Krieg erklärt. Dazu wurden Armee und Polizei verbunden, um dieses Ziel zu erreichen. Was sich nun nach der Wiederwahl von Daniel Noboa im April 2025 zum Präsidenten des Landes verändert hat, ist vor allem die Wortwahl: Nun ist von einem Sicherheitsblock aus Armee und Polizei die Rede. Gestärkt könnte dieser Sicherheitsblock durch internationale Kooperationen werden – darunter die Wiedereröffnung von Militärbasen wie jene von Manta, die von den USA betrieben wurde.

Interview

Fernando Carrión ist Architekt und Strafrechtsexperte mit Wohnsitz in Quito. Der Sozialwissenschaftler der renommierten Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (Flacso) ist ein Kenner des ecuadorianischen Gefängnis- und Justizsystems. Mit ihm sprach für »nd« Knut Henkel.

Wie kann da internationale Kooperation helfen? Es handelt sich doch um interne Gewalt mit einer stetig steigenden Mordquote.

Genau, daher halte ich auch nichts von dieser Strategie der Regierung. Ein simples Beispiel: 1999 als die Basis von Manta den Betrieb aufnahm, lag die Todeszahl bei 13 Morden pro 100 000 Einwohner. Als die Basis 2009 geschlossen und das Areal zurückgegeben wurde, lag die Mordquote bei 17, fast 18 Morden pro 100 0000 Einwohner. Danach ist sie bis 2017 auf sechs Morde pro 100 000 Einwohner gesunken. Militärposten bringen also nicht mehr Sicherheit, trotzdem verhandelt die Regierung Noboa mit der Regierung von Donald Trump über die Rückkehr der US-Truppen. 2024 lag die Quote bei 38 Morden pro 100 000 Einwohner.

Die Regierung von Daniel Noboa setzt seit Anfang März 2025 auf Kooperationen mit Militärdienstleistern wie Blackwater, eine US-Söldner-Agentur. War das Marketing im Wahlkampf oder ernst?

Eher Marketing. Ich habe den Eindruck, dass der Regierung ein konkreter Plan mit Eckpunkten und konkreten Zielen fehlt. Kürzlich wurde der Innenminister John Reimberg nach den Zielen der kommenden Monate befragt: Er konnte keine benennen.

Ist die Präsenz der Kartelle weiter gestiegen – haben Sie mehr Reichweite?

Ja, das ist der Cucaracha-Effekt. Die Kartelle breiten sich aus, weil ihr Franchise-Modell funktioniert. Sie rekrutieren Banden unter klaren Vorgaben, dringen so in neue Gemeinden vor, dehnen ihren Einfluss aus – auch in der Politik, den Institutionen, der Justiz. In Ecuador konzentriert sich alles auf die Mordstatistiken, aber die Tatsache, dass die Kartelle ihre Aktivitäten systematisch in andere Bereiche ausgedehnt haben, wird übersehen. Taxifahrer, Busfahrer, Handel und viele mehr müssen Steuern an die Kartelle entrichten. Das nimmt genauso zu wie die Entführungen und der illegale Bergbau sowie die Geldwäsche. Allein Letztere beläuft sich auf vier Milliarden US-Dollar. Laut einer italienischen Studie fließen rund 25 Prozent der Einnahmen der Kartelle in die Reproduktion ihrer Strukturen – das ist immens und wir reden je nach Schätzung über mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar – das ist mehr als der Investitionsetat von Quito und Guayaquil zusammen.

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