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Razzia in der Gedenkstätte Peršmanhof
Ein Polizeieinsatz in Österreich sorgt für außenpolitische Verwicklungen
Die Verstimmung ist ihm anzumerken: »Das, was passiert ist, hat auf alles einen Schatten geworfen«, sagte Aleksander Geržina am Freitag im »Morgenjournal« des österreichischen Radiosenders Ö1. »Wir warten auf Antworten und Aufklärung«, so der slowenische Botschafter, die Ergebnisse würden »Einfluss auf die Beziehungen« zwischen beiden Ländern haben. Auch rund 400 Demonstranten forderten am Freitag vor der Kärntner Landesregierung Klarheit über den Einsatz am Peršmanhof.
Am 27. Juli 2025 rückte die Polizei mit schweren Waffen, sieben Fahrzeugen, einem Hubschrauber, Drohnen und einer Hundestaffel an, um den abgelegenen Peršmanhof in Südkärnten an der Grenze zu Slowenien zu durchsuchen. Es handelt sich um einen geschichtsträchtigen Ort, an dem 1945 slowenische Widerstandskämpfer*innen gegen den Nationalsozialismus ermordet wurden.
Der Peršmanhof ist auch eine antifaschistische Gedenkstätte mit angeschlossenem Museum. An diesem Ort wollten Antifaschist*innen in einem Zeltlager über die Geschichte des Widerstands gegen rechts gestern und heute diskutieren. Das Camp wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal vom Klub der slowenischen Studierenden in Wien ausgerichtet. Die Veranstalter*innen hatten die Erlaubnis der Leitung der Gedenkstätte. Unter den Teilnehmer*innen des Bildungscamps waren auch Angehörige der Opfer, die von den Nazis 1945 hingerichtet wurden.
Peršmanhof hat eine besondere Bedeutung
Für die kärntner-slowenischen Veranstalter*innen hat der Peršmanhof eine besondere Bedeutung als ehemaliger Partisan*innenstützpunkt gegen den Faschismus und als Gedenkstätte für die zwei 1945 ermordeten slowenischen Familien. Deshalb ist die Aufregung über den massiven Polizeieinsatz auch mehrere Tage danach noch immer groß. Zumal der Kärntner Stellvertretende Landespolizeidirektor Markus Plazer in österreichischen Medien jede Entschuldigung bei den betroffenen Antifaschist*innen ablehnte. Er begründete den Einsatz mit Verdacht auf wildes Campen und dem Verstoß gegen die Bestimmungen des Naturschutzes.
Dabei musste Plazer den politischen Hintergrund der Maßnahme einräumen. Der Moderator Armin Wolf, ein Urgestein des linksliberalen Journalismus in Österreich, stellte ihm die Frage, warum bei der Razzia Beamte des Verfassungsschutzes anwesend waren, wenn es sich doch nur um einen Verstoß gegen Campingbestimmungen gehandelt haben soll. Darauf antwortete Plazer, der Grund liege darin, dass es sich um ein »Antifa-Camp« gehandelt habe. Die Antifa scheint bei der Kärntner Polizei noch immer ein Feindbild zu sein.
Die Kärntner Landesregierung wird von der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP gestellt. Die ultrarechte FPÖ ist aktuell in Kärnten in der Opposition. Doch das südlichste Bundesland der Republik Österreich war lange Zeit eine Hochburg des Rechtsaußen Jörg Haider, der vor mehr als 25 Jahren dazu beigetragen hatte, dass die FPÖ regierungsfähig wurde. Später brach er mit ihr und gründete mit dem BZÖ eine eigene Partei, die mit ihm in Kärnten die Regierung anführte. Auch fast 17 Jahre nach Haiders Unfalltod scheint die Polizei aber weiter stramm auf Rechtskurs zu sein.
Der Društvo/Verein Peršman, der für die wissenschaftliche Aufarbeitung des historischen Museums in der Gedenkstätte zuständig ist, äußerte seine Irritationen angesichts des Handelns der Polizei an einer Stelle des NS-Terrors. »An einem Ort, an dem kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren Angehörige des SS- und Polizeiregiments 13 in einem Überfall elf Familienangehörige der Familien Sadovnik und Kogoj brutal ermordeten, muss ein derart unverhältnismäßiges und aggressives Vorgehen als pietät- und respektlos aufgefasst werden«, heißt es in der Erklärung. Die Bildungs- und Gedenkarbeit für anwesende Besucher*innen sei dadurch gravierend gestört worden.
Das bestätigen auch Nachkommen der NS-Opfer, die bei dem Camp anwesend waren. »So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf«, sagte Bernard Sadovnik, ein Nachfahre der Ermordeten und Obmann der Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen der österreichischen Presse.
Slowenien übt Kritik und will Aufklärung
Die Botschaft von Slowenien schickte eine Protestnote an das österreichische Außenministerium. Der slowenische Vizepremierminister Matej Arčon, der auch für die Belange von Slowenien im Ausland zuständig ist, erklärte in einer Stellungnahme: »Von Österreich erwarten wir ein verantwortungsbewusstes Handeln im Einklang mit europäischen demokratischen Standards.«
In diese Richtung zielte auch die Kritik von Sloweniens Botschafter Aleksander Geržina: »Das war ein Polizeieinsatz außer Rahmen und ohne Augenmaß.« Er könne nicht glauben, dass so etwas heute in der Europäischen Union möglich sei. Man müsse »nicht über beide Seiten sprechen«, die Verantwortung liege klar bei der Polizei, so der Botschafter. Dass sich Landespolizeidirektorin-Stellvertreter Markus Plazer nur bei einer Einzelperson entschuldigt habe, bedauere Geržina »zutiefst«, wie er gegenüber Ö1 sagte.
Antworten erhoffe sich Geržina zuallererst vom Innenministerium und der Kärntner Landesregierung. So wie der Einsatz abgelaufen sei, müsse es eine »längerfristige Planung« mit entsprechender Dokumentation gegeben haben. Ein Kommissionsbericht Ende September sei »bei Weitem zu spät«. Die 400 Demonstranten dürften das ähnlich sehen.
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