Affige Aufregung

Nach einer Protestaktion von Tierschutzaktivisten im Nürnberger Tiergarten kann Christoph Ruf nur den Kopf schütteln

Nürnberger Tiergarten – Affige Aufregung

Was war das wieder für eine Aufregung. In einem Land, in dem Jahr für Jahr 42 Millionen Schweine gekillt werden, hat der Nürnberger Zoo doch tatsächlich zwölf Paviane getötet. Noch schlimmer: Er hat sie Raubkatzen zum Fraß vorwerfen lassen, die – uneinsichtig, wie sie nun mal sind – immer noch die Vorzüge der Seitan-Antilope ignorieren. Nun wissen wahrscheinlich auch die Aktivisten von Animal Rebellion, dass sich zuvor viel zu viele Paviane im zu kleinen Gehege selbst verletzt hatten und, dass keine andere Institution gefunden worden war, die die überzähligen Tiere aufgenommen hätte. Was hätten sie selbst also gemacht?

»Lasst die Affen frei«, stand auf einem Plakat. Okay, super Idee. Ein paar Paviane würden den Nürnberger Hauptmarkt sicher aufwerten. Oder ist hier »richtig« frei gemeint? Also Aussetzen im natürlichen Habitat? Schwierig, weil ein im Zoo geborener Affe sich nie wieder wie ein wild lebender verhält. Von seinen natürlichen Feinden würde er also in Westafrika womöglich schneller gefressen als in Nürnberg erschossen. Passt nicht in die »Free Willy«-Welt, ist aber das echte Leben. Da nützt es auch nichts, wenn man – wie in Nürnberg geschehen – Zoo-Mitarbeiter als »Massenmörder« beschimpft.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Mitleid mit Tieren zu haben, ihren Tod traurig zu finden, das gehört zu den Gefühlsregungen, die Menschen zu Menschen machen. Und mir ist auch bewusst, dass sich Vegetarier und Veganer ethisch und ökologisch besser als ich verhalten. Doch meine Achtung vor jenen Leuten, die Aufkleber wie diesen stickern: »Kein Fleisch essen heißt, Tiere leben lassen«, geht gegen null. Das heißt es eben nicht, weil keine Kuh und kein Schwein überhaupt existieren würden, wenn sie nicht vom Menschen einst zum eigenen Nutzen gezüchtet worden wären.

Wer also glaubt, dass in einer vegan lebenden Welt glückliche Schweine über Felder und Gärten strolchen würden, hat offenbar eine ähnliche Sehnsucht nach Kitsch wie die »Zeugen Jehovas«, die ihre Vision vom Paradies gerne mit Wölfen, Schafen und Bären illustrieren, die alle zusammen friedlich unter einem Baum liegen.

Es ist eine Weltsicht der Großstadt-Ökologen mit abgeschlossenem sozialwissenschaftlichem Studium, die gegen den Abschuss des Kormorans sind und rührende Artikel über Waschbären und deren erfreuliche Ausbreitung in den Großstädten schreiben. Wer schon mal gesehen hat, was die niedlichen Tiere mit einem Entenküken oder einer Froschpopulation machen, sieht das ein wenig anders. Räuber und Beute, Fressen und Gefressenwerden – in der Natur funktioniert das im Gleichgewicht.

Wo es zu viele Menschen gibt und keine natürlichen Feinde, leider nicht mehr. Dann verbreiten sich Pythons aus Burma in den Everglades, in denen man dafür kaum noch einen Vogel hört. Oder Ochsenfrösche rund um Karlsruhe, wo es deshalb in einigen Jahren keine einheimischen Amphibien mehr geben wird. Aber wahrscheinlich wäre Animal Rebellion auch gegen das Ochsenfrosch-Töten.

Gegen Hauskatzen hat komischerweise niemand etwas. In der Realität töten sie allein in Deutschland Jahr für Jahr zwischen 100 und 200 Millionen Singvögel. Von denen wiederum gibt’s halt weit weniger Youtube-Videos als von den süßen kleinen Kätzchen.

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