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Im Alter stabil?
Bundesregierung einigt sich auf beständiges Rentenniveau und Ausweitung der Mütterrente
Bundessozialministerin Bärbel Bas (SPD) wolle nach wochenlangen Rentendebatten eine »klare Botschaft in unsicheren Zeiten« senden, teilte sie am Mittwoch in einer Presseaussendung mit. Das Bundeskabinett hatte soeben ihren Entwurf zum Rentengesetz gebilligt. Mit dem ersten von mehreren Reformschritten soll das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent festgeschrieben und die Mütterrente erweitert werden. Bis zum Jahresende soll der Bundestag den Entwurf beschließen.
Das Rentenniveau ist eine Durchschnittsgröße, die Renten nach 45 Beitragsjahren mit durchschnittlichem Einkommen ins Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn setzt. Mit der Stabilisierung des Rentenniveaus soll verhindert werden, dass die Rentenanpassungen deutlich geringer ausfallen als die Lohnentwicklung, Rentner*innen also im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung immer mehr verarmen.
Konkret, so errechnete das Sozialministerium, steigt durch die Anpassung beispielsweise eine Rente von 1500 Euro zum 1. Juli 2031 um etwa 35 Euro pro Monat, also 420 Euro im Jahr. Außerdem werden Eltern von Kindern, die vor 1992 geboren sind, durch die Ausweitung der Mütterrente künftig statt zweieinhalb Jahren drei Jahre Erziehungszeit angerechnet.
Die Reform soll über Steuern finanziert werden. Für die Kindererziehungszeiten leiste der Bund, so die Aufstellung des Sozialministeriums, jährlich rund fünf Milliarden Euro. Die Erstattungen für die Stabilisierung des Rentenniveaus fallen demnach erst 2029 mit zunächst rund 3,6 Milliarden Euro an, bis 2031 steigen sie auf rund 11 Milliarden Euro.
Zudem steigen ab 2027 die Rentenbeiträge von 18,6 auf 18,8 Prozent. Das ist mehr als ursprünglich erwartet. Dafür sollen die Rücklagen bei den Rentenkassen von 20 auf 30 Prozent einer Monatsausgabe aufgestockt werden. Sie sinken unter anderem, wenn die Anzahl der Beitragszahler*innen zurückgeht – etwa aufgrund demografischer Entwicklungen oder in Zeiten erhöhter Arbeitslosigkeit.
»Finanzielle Sicherheit ist kein Privileg für Ältere, sie ist ein wichtiges Signal an alle Generationen, dass ihre Ansprüche anerkannt und geschützt werden.«
Joachim Rock Paritätischer Wohlfahrtsverband
Der Sozialverband VdK sah durch den Vorstoß das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte das Rentengesetz als »überfälligen Beitrag zur Geschlechter- und Generationengerechtigkeit«. »Finanzielle Sicherheit ist kein Privileg für Ältere, sie ist ein wichtiges Signal an alle Generationen, dass ihre Ansprüche anerkannt und geschützt werden«, so der Hauptgeschäftsführer Joachim Rock in einer Aussendung. Das Rentengesetz soll ein dauerhaft höheres Rentenniveau auch für kommende Generationen sichern. Die neuen Kindererziehungszeiten seien ein »kleiner Ausgleich für die Einkommensverluste, die Frauen mit der Erziehungs- und Sorgearbeit zu tragen haben«.
Nebenbei fiel im Rahmen des neuen Rentengesetzes auch das Vorbeschäftigungsverbot für Beschäftigte, die das Rentenalter überschritten haben. Das Ziel ist hierbei, Menschen die Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber zu erleichtern. Sie sollen nun bis zu acht Jahre lang weiterarbeiten können, im Rahmen von maximal zwölf Verträgen. Es ist ein weiterer Schritt Richtung Mehrarbeit im Alter, allerdings ohne das Mindestrentenalter anzuheben. Gegen letzteres hatte sich Sozialministerin Bas wiederholt ausgesprochen, Unterstützung erhielt sie dabei unter anderem von der SPD-Jugendorganisation Jusos. Eine längere Lebensarbeitszeit sei eine »reine Rentenkürzung«, so Bas im ZDF-Morgenmagazin am Mittwoch erneut. »Wer das fordert, der muss auch gleichzeitig sagen: Was ist mit den Leuten, die das nicht bis dahin schaffen, die trotzdem lange gearbeitet haben?« Die Junge Union dagegen verlangte zuletzt, in Anlehnung an einen Vorschlag von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), ein Ende der »Frühverrentersysteme«.
Für Verwirrung sorgte die Vorsitzende der Partei Die Linke, Ines Schwerdtner, im ZDF-Morgenmagazin. Auf Nachfrage erklärte sie, man könne über eine »moderate Erhöhung« des Renteneintrittsalters sprechen – womit sie der Parteilinie widersprach. In einer Presseaussendung einige Stunden später erklärte Schwerdtner: »Die Anhebung des Rentenalters ist definitiv keine Lösung um die Lage der Rentner zu verbessern – im Gegenteil.« Gegenüber »nd« hieß es dazu, die Presseaussendung entspräche der linken Rentenprogrammatik.
Schwerdtner kritisierte in der Aussendung außerdem, das stabilisierte Rentenniveau sei ein »Tropfen auf den heißen Stein«. Es brauche eine Anhebung des Niveaus auf 53 Prozent. Finanziert werden solle dies über eine Rentenkasse, in die alle einzahlen, inklusive Abgeordneter und Beamter.
Sarah Vollath, Sprecherin für Renten- und Alterssicherungspolitik der Fraktion Die Linke im Bundestag, ging darüber hinaus: »Wir fordern eine sofortige außerordentliche Rentensteigerung von zehn Prozent und eine solidarische Mindestrente von 1400 Euro.« Dafür brauche es nicht nur eine Rente für alle Erwerbstätigen, sondern auch eine Verdoppelung der Beitragsbemessungsgrenzen. Das ist der Wert, nach dem die Sozialversicherungsbeiträge berechnet werden. Sie werden bisher nur bis zu einem gewissen Arbeitsentgelt berücksichtigt.
Für Johannes Geyer, Rentenexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, ist das Rentengesetz nur ein erster Schritt. »Wer eine Anhebung des Renteneintrittsalters vermeiden will, muss die Erwerbstätigkeit steigern – etwa durch mehr qualifizierte Zuwanderung, eine höhere Frauenerwerbstätigkeit, mehr ältere Erwerbstätige und bessere Bildung«, so Geyer.
Nach der Sommerpause soll sich eine Kommission mit einer grundlegenden Reform des Rentensystems auseinandersetzen. Bis zur Mitte der Legislatur, etwa Anfang 2027, soll sie Vorschläge erarbeiten. Kleinere Schritte, die Union und SPD im Herbst umzusetzen planen, sind die sogenannte Aktivrente sowie die Frühstartrente. Die Aktivrente soll durch steuerfreie Gehälter bis zu 2000 Euro zu mehr Arbeit im Alter motivieren. Die Frühstartrente soll eine kapitalgedeckte Altersvorsorge des Staats für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren schaffen, die zehn Euro monatlich erhalten würden.
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