Lippenbekenntnisse

Sarah Yolanda Koss über verzögerte Gleichstellungsgesetze

Endstation? Paternoster sind nicht gerade barrierefrei. Um Gebäude zugänglicher zu gestalten, bräuchte es mehr und andere Lifte.
Endstation? Paternoster sind nicht gerade barrierefrei. Um Gebäude zugänglicher zu gestalten, bräuchte es mehr und andere Lifte.

Mit den Rechten von Menschen mit Behinderungen ist es so eine Sache. Alle wollen vorerst dahinter stehen, man sei ja kein Unmensch – abgesehen von Persönlichkeiten wie einem Maximilian Krah, der als AfD-Spitzenkandidat auch mal die »Tagesschau« in Einfacher Sprache als »Nachrichten für Idioten« bezeichnete. Jedenfalls, auf dem Papier sind fast alle Verbündete. An der Umsetzung hapert es dann.

Das zeigt sich bei vielen Unternehmen in Deutschland. Sie punkten nach außen hin gerne mit Diversitätsprogrammen, müssen am Ende aber doch zu über 60 Prozent Ausgleichsabgaben zahlen, weil sie nicht genug Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung vergeben. Räumliche Barrierefreiheit sowieso Fehlanzeige. Wie ernst solche Programme zu nehmen sind, zeigte sich nach der Wiederwahl Trumps. Da nahmen zahlreiche US-Konzerne ihre Maßnahmen für Vielfältigkeit flugs zurück.

Umso wichtiger ist es, jetzt politisch vorzulegen. Mit einer Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes wollten Union und SPD die Privatwirtschaft stärker in die Pflicht nehmen. Im Bundeskabinett passierte diese Woche aber ... nichts. Die Umsetzung scheitert derzeit, dem Raunen nach, am CDU-geführten Wirtschaftsministerium. Privatkonzernen den Abbau von Barrieren aufzuerlegen wird dort offenbar kritisch gesehen.

Kein Wunder also, dass die Sozialverbände derzeit wieder ihren Stehsatz zur Gleichstellung herunterbeten: Das Gesetz sei wichtig, Barrierefreiheit komme schließlich allen zugute, auch Älteren oder Familien mit Kindern. Das ließe sich auch gerne mal fordernder formulieren: Wir wollen Lifte für alle!

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