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Riace und Gaza-Stadt schließen symbolische Partnerschaft

Bürgermeister unterzeichnen Solidaritätsvereinbarung

Mimmo Lucano vor einem neuen Schild am Ortseingang von Riace.
Mimmo Lucano vor einem neuen Schild am Ortseingang von Riace.

Mimmo Lucano, inzwischen EU-Abgeordneter für die italienische links-grüne Allianz, ist als Symbolfigur einer solidarischen Migrationspolitik bekannt. Internationale Berühmtheit erlangte er als Bürgermeister des süditalienischen Ortes Riace. Am Dienstag hat Lucano ein neues Zeichen der Solidarität gesetzt: Mit Yahya Al-Sarraj, Bürgermeister von Gaza-Stadt, unterzeichnete er eine symbolische Partnerschaft zwischen ihren Gemeinden. Während Al-Sarraj per Video zugeschaltet war, setzte Lucano seine Unterschrift in dem voll besetzten Gemeindesaal unter das Dokument. Besucher*innen schwenkten palästinensische Fahnen, zeigten Transparente und sangen.

An der Zeremonie nahm auch Ranya Lana Alhaddad teil, eine aus Gaza geflüchtete Palästinenserin, die seit einigen Monaten mit zwei ihrer Kinder in Riace lebt. Sie unterschrieb die Partnerschaft stellvertretend für Gaza und schilderte in bewegenden Worten, wie bei einem Angriff des israelischen Militärs 15 Familienmitglieder und ihr ältester Sohn getötet wurden – am selben Tag, an dem sie ihre Tochter zur Welt brachte.

lhaddad sprach vom »schlimmsten Massaker in der Geschichte Palästinas«, von Flucht, Hunger, Wassermangel und fehlender medizinischer Versorgung. Ihre kleine Tochter habe eine Hirnblutung erlitten. Um sie behandeln zu lassen, sei sie vor über einem Jahr über Ägypten nach Italien gelangt. »Ich bin jetzt hier mit meinen Kindern – ohne meinen Mann, der noch in Gaza ist«, so Alhaddad. Ihre Anwesenheit in Riace, einem Ort, der international als Symbol für zivilgesellschaftliche Aufnahme und Widerstand gegen Ausgrenzung gilt, nannte Lucano ein »lebendiges Zeugnis der Grausamkeit des Krieges – und der unaufhaltsamen Kraft des Lebens«.

Das kalabrische Riace ist seit Jahrzehnten für sein Modell solidarischer Migration bekannt. In den späten 1990er Jahren hatte Lucano – zunächst als Lehrer, später als Bürgermeister – begonnen, Geflüchtete in leerstehenden Häusern unterzubringen. Dieses Modell hauchte dem ausgestorbenen Dorf nicht nur neues Leben ein – dokumentiert hat dies unter anderem Wim Wenders in seinem Film »Il Volo«.

Gleichzeitig zog das »Modell Riace« Anfeindungen von rechts auf sich. Lucano wurde auf Betreiben des früheren Innenministers Matteo Salvini wegen angeblicher Amtsvergehen verurteilt – allerdings wurden die Anschuldigungen in fast allen Fällen im Berufungsverfahren kassiert. Wegen einem übrig gebliebenen Vorwurf – Fälschung eines öffentlichen Dokuments – hat das Gericht gegen Lucano 18 Monate auf Bewährung verhängt. Das Bürgermeisteramt droht er aufgrund eines Gesetzes zur Amtsenthebung zu verlieren, er kündigte jedoch eine weitere Berufung an und bleibt zunächst im Amt.

Wie die Gemeinde Gaza auf Facebook erklärte, wolle man mit dem Partnerschaftsabkommen ein Zeichen gegen das anhaltende Leid in der Region und für kulturellen Austausch setzen. Es gehe darum, »Palästinensische Erinnerung zu bewahren« und »die Resilienz Gazas zu stärken«. Lucano sprach bei der Zeremonie von einem »Akt der Solidarität, Erinnerung und geteilten Menschlichkeit«.

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