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Haseloff: Konservatives Bollwerk gegen rechts
Reiner Haseloff kündigt nach drei Amtsperioden seinen Rückzug als Regierungschef von Sachsen-Anhalt an
Er habe als Politiker eine Mission, sagte Reiner Haseloff am Donnerstag: dafür zu sorgen, dass es »demokratische Mehrheiten immer aus der Mitte heraus« gebe. Was damit gemeint ist, dürfte klar sein in Sachsen-Anhalt, wo die AfD einen der aggressivsten und stärksten Landesverbände hat. Haseloff regiert das Bundesland seit 14 Jahren als Ministerpräsident mit unterschiedlichen Koalitionen; am Donnerstag gab der 71-Jährige CDU-Politiker bekannt, bei der Landtagswahl im September 2026 nicht mehr anzutreten.
Als der promovierte Physiker 2011 zum ersten Mal in die Magdeburger Staatskanzlei einzog – davor war er schon fünf Jahre Wirtschaftsminister –, sah die politische Landschaft Sachsen-Anhalts komplett anders aus als heute. Seine CDU gewann die Landtagswahl mit über 30 Prozent, SPD und Linke kamen auf mehr als 20 Prozent. Die AfD gab es noch nicht.
Seitdem vollzogen sich dramatische Veränderungen; in Umfragen liegt nun die AfD bei 30 Prozent. Ein Garant dafür, sie in Grenzen zu halten, ist Haseloff. Der hatte den rechten Flügel in seinem Landesverband halbwegs im Griff, bis hin zur Entlassung etwa des Innenministers Holger Stahlknecht im Jahr 2020. Damals drohte der rechte CDU-Flügel, gemeinsam mit der AfD gegen die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu stimmen, was unweigerlich das Ende der Landesregierung aus CDU, SPD und Grünen bedeutet hätte. Haseloff nahm das Thema von der Tagesordnung; die Koalition war gerettet, aber die Debatte um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde ohne Zustimmung aus Magdeburg komplizierter. Vor fünf Jahren kandidierte Haseloff vor allem deshalb noch einmal, weil viele ihm am ehesten zutrauten, der CDU zum erneuten Sieg zu verhelfen und die AfD auf Abstand zu halten.
Deutschlands dienstältester Ministerpräsident gehört nicht zu den Lautsprechern der Politik. Er vertritt den Konservatismus auf eine angenehm sachliche, bedächtige Art. Haseloff ist nicht der glänzendste Rhetoriker, aber man hat den Eindruck, dass er sich für das Argument interessiert, nicht für den Medieneffekt. Darin ist er seinem Amtsvorgänger, dem kürzlich verstorbenen Wolfgang Böhmer, sehr ähnlich. Beide gaben vielen Menschen das Gefühl, dass der erste Mann in der Staatskanzlei ihre Probleme zur Kenntnis nimmt und nicht auf irgendeiner Wolke schwebt.
Das ist kein geringes Verdienst in Zeiten wachsender Politikverdrossenheit. Zumal in einem Bundesland, das schwer von der Deindustrialisierung nach 1990 getroffen wurde und seit Langem ein großes rechtsextremes Wählerpotenzial hat. Und die letzten Jahre brachten schwere Zeiten für Sachsen-Anhalt: Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019, Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt 2024, kürzlich das Aus für die mit vielen Hoffnungen verbundene Ansiedlung des Chipherstellers Intel.
Bei der Vorstellung am Donnerstag verpflichtete Haseloff seinen potenziellen Nachfolger Sven Schulze auf eine klare Abgrenzung zur AfD auch in Zukunft. Dies auch vor dem Hintergrund vernehmlicher Rufe aus der Sachsen-Anhalt-CDU nach Kooperation mit der AfD. Der Linke-Politiker Wulf Gallert, der seit 1994 in der Landespolitik aktiv ist und nach dessen Ansicht »die Dinge in der Landes-CDU schon lange ohne Haseloff laufen«, sieht den Amtswechsel skeptisch. Gegenüber »nd« sagte er, im Gegensatz zu Haseloff, der die AfD deutlich als mit seinen moralisch-politischen Einstellungen unvereinbar bezeichne, sei Schulze als seit fünf Jahren amtierender CDU-Landesvorsitzender »diese Antwort noch schuldig« geblieben.
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